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Diamantene Kutsche

Diamantene Kutsche

Titel: Diamantene Kutsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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nicht so einfach heraus, schon gar nicht bei einem Mann wie Semushi. Er ist zwar ein Akunin, aber keineswegs ein Schwächling.«
    »Ein was?« Fandorin zog die Brauen zusammen.
    »Ein Akunin, das bedeutet soviel wie evil man oder villain 1 «, versuchte Asagawa zu erklären. »Aber nicht ganz … Ich glaube, es gibt keine exakte englische Übersetzung. Ein Akunin ist böse, aber nicht kleinmütig, sondern stark. Er hat seine eigenen Regeln, die er selbst aufstellt. Sie decken sich nicht mit den Vorschriften der Gesetze, aber für seine Regeln opfert der Akunin sogar sein Leben, und darum bringt man ihm nicht nur Haß entgegen, sondern auch Respekt.«
    »Ein solches Wort gibt es auch auf Russisch nicht«, bekannte Fandorin nach kurzem Nachdenken. »Aber reden Sie weiter.«
    »Semushi verletzt zweifellos die Gesetze. Er ist ein brutaler, gerissener Räuber. Aber er ist kein Feigling – sonst könnte er seine Position nicht halten. Ich bin schon lange hinter ihm her. Ich habe ihn zweimal verhaftet: Wegen Schmuggels und wegen Mordverdachts. Aber Semushi ist ein Yakuza der neuen Art. Er geht anders vor als die Banditen früherer Zeiten. Und vor allem – er hat mächtige Beschützer …«
    Asagawa stockte und verstummte, als habe er begriffen, daß er zuviel gesagt hatte.
    Er möchte vor den Ausländern keine schmutzige Wäsche waschen, vermutete Fandorin und entschied, weitere Fragen auf später zu verschieben, wenn er den Inspektor besser kennengelernt hatte.
    »Hört zu, was ich euch sage, Jungs« – Lockstone kniff skeptischdie Augen zusammen –, »das wird nichts. Wir können nie beweisen, daß der alte Opiumraucher umgebracht wurde. Mit einem Fingerdruck? So was gibt’s doch nicht!«
    »Und daß eine Berührung am Hals ein Verbrennungsmal hinterläßt, noch dazu durch einen Zelluloidkragen hindurch, das gibt es?« parierte Fandorin. »Na schön, es ist zu früh, darüber zu streiten. Gehen wir erst einmal zur Anlegestelle und warten auf die Samurai. Wenn sie nicht kommen, nehmen wir uns den Wirt des ›Rakuen‹ vor. Aber Herr Asagawa hat recht – wir dürfen dabei nichts überstürzen. Sagen Sie, Inspektor, haben Sie Agenten in Zivil, ich meine, nicht in Uniform, sondern im K-kimono?«
    Der Japaner lächelte leicht.
    »Ein Kimono ist eine Festagskleidung. Aber ich habe Ihre Frage verstanden, Herr Vizekonsul. Ich habe sehr gute Agenten – sowohl in japanischer Kleidung als auch in europäischen Gehröcken. Wir werden Semushi beschatten lassen.«
    »Und ich werde mit Hilfe meines Dieners eine Beschreibung des Mannes v-verfassen, der Blagolepows Hals berührt hat. Aber wir wollen nicht vorauseilen. Vielleicht erscheinen die Samurai ja doch?«
     
    Der Kutter des verstorbenen Kapitäns Blagolepow lag an einer Anlegestelle weit entfernt vom Settlement zwischen Fischerbooten.
    Zwei Stunden vor Sonnenaufgang war die Umzingelung aufgestellt. Die japanischen Polizisten saßen, gedeckt vom Kai, direkt auf dem Kutter und auf benachbarten Booten. Lockstone hatte sich mit seinen Männern am Ufer verschanzt, in einem Lagerhaus.
    Es war sehr dunkel und sehr still, nur die Bucht atmete, und hin und wieder kam der Mond kurz zwischen den Wolken hervor.
    Mit den weißen Polizisten im Lagerhaus zu sitzen reizte Fandorin nicht. Er wollte bei Asagawa und dessen Männern sein, in unmittelbarer Nähe des Kutters. Er bezog mit vier Polizisten Posten unter der Pier, bis zum Knie im Wasser. Nach einer Viertelstundebegann er zu frieren, eine weitere Viertelstunde später klapperte er mit den Zähnen, mußte aber aushalten, um sich vor den Einheimischen nicht zu blamieren.
    Wenn das Mondlicht durch die Ritzen zwischen den Bohlen fiel, betrachtete er seine schweigsamen Nachbarn. Sie trugen keinerlei Schußwaffen bei sich, auch keine Hieb- oder Stichwaffen, lediglich lange Knüppel. Doch nachdem Fandorin bei der Prügelei im »Rakuen« hatte beobachten können, wie wirkungsvoll diese Waffe in der Hand eines Meisters war, betrachtete er diese unseriöse Ausrüstung der japanischen Polizisten mit Respekt.
    Am meisten verblüffte ihn, daß vier der zehn Männer, die Asagawa mitgebracht hatte, eine Brille trugen. Ein russischer Schutzmann mit Brille war einfach undenkbar – da lachten ja die Hühner. Bei den Japanern dagegen schien das gang und gäbe zu sein. Fandorin fragte den Inspektor neugierig nach diesem seltsamen Phänomen – gab es bei ihrer Nation womöglich eine verstärkte Anlage zur Kurzsichtigkeit?
    Der Inspektor antwortete

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