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Diamantene Kutsche

Diamantene Kutsche

Titel: Diamantene Kutsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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vorsichtig, Fandorin ins Ohr.
    Bucharzew, der die freigeistigen Worte nicht gehört hatte, sagte geschäftig: »Jetzt kommen wir nicht durch zum Minister. Aber das macht nichts, ich sehe den Mann, den wir brauchen.« Er zeigte auf einen Militär, der sich ein wenig abseits von der übrigen Suite hielt. »Das ist der Vize-Intendant der Polizei, Herr Kinsuke Suga. Er ist zwar nur Vize, aber jeder weiß, daß Suga der eigentliche Chef der kaiserlichen Polizei ist. Sein Vorgesetzter ist nur Dekoration, ein Aristokrat aus Kioto.«
    Bucharzew zwängte sich durch die Zuschauer, gab dem Polizisten ein Zeichen, und kurz darauf befanden sie sich zu viert weit weg von der Menge in einem abgelegenen Winkel.
    Nachdem sie die Förmlichkeiten rasch hinter sich gebracht hatten, kam der Marineattaché zur Sache. Trotz allem ein fähiger Mann, dachte Fandorin – er legte das Wesentliche klar, kurz und erschöpfend dar.
    Suga hörte zu und zog die dichten Brauen zusammen. Mehrmals berührte er seinen gezwirbelten Schnurrbart und fuhr sich mit der Hand über das igelkurz geschorene halbergraute Haar. Fandorin konnte das Alter der Japaner noch nicht recht bestimmen, schätzte aber den Vize-Intendanten auf etwa fünfundvierzig.
    Fandorin drängte sich nicht vor, er stand hinter dem Marineattaché und dem Konsul, dennoch wandte sich der Polizeigeneral an ihn: »Herr Vizekonsul, haben Sie da auch nichts verwechselt? Der Kutter fuhr wirklich nach Susaki, nicht zu einem anderen Anlegeplatz?«
    »Das kann ich beim besten Willen nicht verwechselt haben. Ich kenne Tokio überhaupt nicht, ich war noch nie dort.«
    »Ich danke Ihnen, Sie haben uns sehr wichtige Informationen übermittelt.« Suga wandte sich weiterhin direkt an Fandorin, weshalb sich das Gesicht des Marineattachés unwillkürlich zu einer Grimasse verzog. »Sie wissen doch, meine Herren, in Susaki liegt der Dampfer ›Kasuga-maru‹, das erste moderne Schiff, das wirohne ausländische Hilfe gebaut haben. Gestern nacht weilte Seine Exzellenz dort auf einem Bankett aus Anlaß des Stapellaufs. Die Männer aus Satsuma hatten vermutlich davon erfahren und wollten den Herrn Minister auf dem Rückweg überfallen. Jeder weiß, daß Seine Exzellenz zu jeder Tages- und Nachtzeit ohne Leibwache unterwegs ist. Wäre es den angetrunkenen Schiffsoffizieren nicht eingefallen, die Pferde auszuspannen und die Kutsche zu schieben, hätten die Verschwörer ihren verbrecherischen Plan auf jeden Fall ausführen können. Sie sagen, sie haben den Kutter für heute bei Tagesanbruch bestellt?«
    »Jawohl.«
    »Das heißt, sie wissen, daß Seine Exzellenz erst gegen Morgen von hier zurückkehrt. Sie können einfach in Shimbashi oder Tsukiji aussteigen, sich durch die nächtlichen Straßen schleichen und dem Minister vor seiner Residenz in Kasumigaseki auflauern. Meine Herren, Sie erweisen unserem Land einen unschätzbaren Dienst! Kommen Sie, ich bringe Sie zu Seiner Exzellenz.«
    »Das wird morgen in allen Lokalzeitungen stehen.« Bucharzew lächelte selbstzufrieden. »Vielleicht sogar in der ›Times‹, wenn auch nicht auf der ersten Seite. ›The Strong Man of Japan Conspires With Russians‹ 2 .«
    Der Rapport wiederholte sich zum drittenmal, allerdings nun auf Japanisch. Fandorin schnappte nur wenige vertraute Worte auf: Fandorin, Rokoku, Katana, Susaki, Kasuga-maru und das ständig wiederholte »Satsumajin«, das vermutlich »Satsumaer« bedeutete. Der Vize-Intendant der Polizei sprach eindringlich und verbeugte sich häufig, aber nicht unterwürfig, sondern als wolle er seinen Worten Nachdruck verleihen.
    In das müde Gesicht des Ministers trat ein Ausdruck von Verärgerung. Er antwortete heftig. Suga verbeugte sich erneut, noch eifriger.
    »Was ist?« fragte halblaut Bucharzew, der offenbar kein Japanisch sprach.
    »Er ist gegen Leibwächter, aber Suga besteht darauf«, übersetzte Doronin leise, hüstelte und wechselte ins Englische. »Exzellenz, ich erlaube mir zu bemerken, Sie verhalten sich kindisch. Es geht schließlich nicht nur um Ihr Leben, sondern um die Zukunft des Landes, das Seine Majestät der Kaiser Ihrer Obhut anvertraut hat. Außerdem ist eine Leibwache ja nur eine vorläufige Maßnahme. Ich bin sicher, Ihre Polizei wird sich bemühen, die Verschwörer rasch zu finden. Und ich als Konsul werde meinerseits in Yokohama eine Ermittlungsgruppe bilden – nein, nein, selbstverständlich nicht wegen des mutmaßlich geplanten Anschlags auf Sie (das wäre eine Einmischung in innerjapanische

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