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Diamantene Kutsche

Diamantene Kutsche

Titel: Diamantene Kutsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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Natürlich, wer sonst! Hat selber davon genommen und auch seinen Herrn bedient. Sagen Sie mir eins, Fandorin. Aber ehrlich! Sind Sie dem Gift schon lange verfallen?«
    Fandorin stöhnte und schüttelte den Kopf.
    »Ich glaube Ihnen. Sie sind noch sehr jung, stürzen Sie sich nicht ins Verderben! Ich habe Sie gewarnt: Rauschgift ist lebensgefährlich, wenn man sich nicht in der Hand hat. Sie wären beinahe gestorben – durch einen dummen Zufall! Während Sie beide in narkotischerTrance lagen, also in einem völlig hilflosen Zustand, war eine Mamushi im Zimmer!«
    »Wer?« fragte Fandorin mit schwacher Stimme. »W-wer war im Zimmer?«
    »Eine Mamushi. Eine japanische Viper. Ihr Name klingt nett, aber im Mai, nach dem Winterschlaf, ist die Mamushi sehr gefährlich. Ein Biß ins Bein oder in den Arm mag noch angehen, aber ein Biß in den Hals bedeutet den sicheren Tod. Es kommt vor, daß eine Mamushi durch die Kanäle von den Reisfeldern ins Settlement schwimmt, in Höfe und sogar in Häuser eindringt. Im letzten Jahr hat eine solche Viper den Sohn eines belgischen Kaufmanns gebissen. Der Junge konnte nicht gerettet werden. Nun, warum sagen Sie nichts?«
    Fandorin schwieg, weil er nicht die Kraft hatte, etwas zu erklären. Was hätte er auch sagen sollen? Daß ein alter Mann mit glühenden Augen im Zimmer gewesen und dann zum Fenster hinausgeflogen war? Das hätte den Konsul nur endgültig davon überzeugt, daß sein Stellvertreter ein Rauschgiftsüchtiger ist, der Halluzinationen hat. Besser, er verschob die phantastische Geschichte auf später, wenn ihm nicht mehr schwindlig war und er wieder deutlich artikulieren konnte.
    Ehrlich gesagt, war auch er selbst nicht ganz sicher, daß das alles tatsächlich passiert war. Gab es denn so etwas?
     
    »Aber der wendige Alte, der eine Giftschlange im Ärmel trägt, war kein Traum. Und dafür habe ich einen eindeutigen B-beweis. Den werde ich Ihnen später vorlegen«, schloß Fandorin und sah seine Zuhörer an – Sergeant Lockstone, Inspektor Asagawa und Doktor Twiggs.
    Den ganzen Tag davor hatte Fandorin flachgelegen und war nur langsam zu sich gekommen; erst nach neunstündigem tiefem Schlaf war er wieder vollkommen bei Kräften.
    Nun erzählte er auf dem Polizeirevier den Mitgliedern der Ermittlungsgruppe die unglaubliche Geschichte, die ihm zugestoßen war.
    Asagawa fragte: »Herr Vizekonsul, sind Sie ganz sicher, daß es derselbe alte Mann war, der im ›Rakuen‹ den Kapitän geschlagen hat?«
    »Ja. Masa hat ihn im Schlafzimmer nicht gesehen, aber als ich ihn mit Hilfe eines Dolmetschers bat, den Mann aus dem ›Rakuen‹ zu beschreiben, stimmten die Merkmale überein: Größe, Alter und schließlich der besondere, durchdringende Blick. Das war er, kein Zweifel. Nachdem ich B-bekanntschaft mit diesem interessanten Herrn gemacht habe, bin ich bereit zu glauben, d-daß er Blagolepow mit einer einzigen Berührung getötet hat. ›Dim-mak‹ nannten Sie das, nicht wahr, Doktor?«
    »Aber warum wollte er Sie töten?« fragte Twiggs.
    »Nicht mich. Masa. Der alte Zauberkünstler hatte irgendwie erfahren, daß die Ermittler einen Zeugen haben, der den Mörder wiedererkennen kann. Sein Plan war offenbar folgender: Meinen Kammerdiener einzuschläfern und dann die Mamushi auf ihn zu hetzen. Das Ganze hätte ausgesehen wie ein Unfall, zumal Derartiges im Settlement schon geschehen ist. Mein überraschendes Auftauchen hat diesen Plan v-vereitelt. Der Besucher mußte sich um mich kümmern, und das tat er so gründlich, daß ich nicht den geringsten Widerstand leisten konnte. Ich verstehe nicht, wieso ich noch am Leben bin … Überhaupt gibt es noch viele Fragen – mir schwirrt der Kopf davon. Aber die wichtigste lautet: Wie hat der Alte von der Existenz eines Zeugen erfahren?«
    Der Sergeant, der bisher kein Wort geäußert, nur finster an seiner Zigarre genuckelt hatte, sagte: »Wir schwatzen zuviel. Noch dazu vor Außenstehenden. Was macht zum Beispiel dieser Engländer hier?« Er richtete unhöflich den Finger auf den Doktor.
    »Mister Twiggs, haben Sie ihn mitgebracht?« wandte sich Fandorin statt einer Antwort an den Arzt.
    Der nickte und holte etwas Langes, Flaches aus seiner Aktentasche, das in einen Lappen eingewickelt war.
    »Hier, ich habe ihn aufgehoben. Und damit der Tote nicht mit nacktem Hals im Sarg lag, habe ich meinen eigenen gestärkten Kragen geopfert«, sagte Twiggs und packte einen Zelluloidkragen aus.
    »Können Sie die Fingerabdrücke vergleichen?«

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