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Diamantene Kutsche

Diamantene Kutsche

Titel: Diamantene Kutsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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die Schlachten verlieren, den Krieg werden wir dennoch gewinnen. Das zweitens. Wir sind den Japanern in der Hauptsache überlegen: Wir verfügen über W-wirtschaftskraft, über menschliche Ressourcen und Rohstoffe. Die Zeit arbeitet für uns. Der Oberkommandierende Linewitsch handelt vollkommen richtig, ganz im Gegensatz zu Kuropatkin: Er zögert den Feldzug hinaus, sammelt Kräfte. Die Japaner werden mit der Zeit immer schwächer. Ihr Staatsschatz steht k-kurz vor dem Bankrott, die Wege werden immer weiter, die Reserven sind bald erschöpft. Wir müssen lediglich große Schlachten vermeiden, dann haben wir den Sieg in der Tasche. Nichts wäre dümmer, als die baltische Flotte um die halbe Welt zu schiffen, sie A-admiral Togo zum Fraß vorzuwerfen.«
    Der General hörte seinem Assistenten zu, und seine Miene hellte sich auf, doch Fandorin beendete seine optimistische Ruhmesrede mit einem Grabgesang: »Das Unglück auf der Tesoimenitski-Brücke macht mir mehr Sorgen als der Untergang unseres Geschwaders. Ohne Flotte k-können wir den Krieg mit Ach und Krach gewinnen, aber wenn auf unseren Eisenbahnstrecken, die die Front versorgen, solche Dinge einreißen, dann ist es aus mit Rußland. Lassen Sie einen Inspektionswagen an eine Lok hängen. Wir fahren hin und sehen uns das G-ganze mal an.«
    Fünfte Silbe,
in welcher ein interessanter Reisender
vorkommt
    Als der Inspektionswagen den Unglücksort am Steilufer des Flusses Lomsha erreichte, hatte die Nacht es satt, sich dunkel zu stellen, und vom Himmel fiel mit aller Kraft helles Morgenlicht.
    Vor den Trümmern der Tesoimenitski-Brücke war eine Menge Obrigkeit versammelt – der Kriegsminister, der erlauchte Generalinspekteur der Artillerie, der Verkehrsminister, der Chef des Gendarmeriekorps, der Chef des Polizeidepartements und der Chef der Gendarmerieverwaltung des Gouvernements. Allein an Salonwagen, jeder mit einer eigenen Lok versehen, reihte sich ein halbes Dutzend hintereinander.
    Über der Schlucht leuchteten Litzen, klirrten Sporen und Adjutanten-Achselbänder, tönten Vorgesetztenbässe, und unten, direkt am Wasser, herrschten Chaos und Tod.
    Mitten in der Lomsha türmte sich ein formloser Haufen aus Holz und Eisen, darüber hing das zerbrochene Gerippe der Brücke, eine verbogene Lok steckte mit der Nase im anderen Ufer und dampfte noch, von der anderen ragte der rechteckige Tender wie ein Fels ausdem Wasser. Die Verwundeten waren bereits fortgetragen worden, doch eine lange Reihe Toter lag noch unter einer Plane im Sand.
    Nagelneue schwere Geschütze, für die Mandschurei-Armee bestimmt, waren von den Waggons gestürzt und teils gesunken, teils im seichten Wasser verstreut. Am anderen Ufer dröhnte ein mobiler Kran und schwenkte hilflos seinen Ausleger, um ein Stahlmonster mit verbogenem Rohr aus dem Wasser zu ziehen, aber es war klar, daß er sich vergebens mühte.
    General von Kassel gesellte sich zur hohen Obrigkeit, Fandorin dagegen machte einen Bogen um die Gruppe der Goldbetreßten und begab sich direkt zur zerstörten Brücke. Er schaute sich eine Weile um, dann lief er die Schräge hinunter. Unten sprang er geschickt auf das Dach eines Waggons und lief von dort zum nächsten Brückenpfeiler, von dem verbogene Gleise herunterhingen. Der Ingenieur kletterte die Schwellen hoch wie eine Leiter und hatte bald das andere Ufer erreicht.
    Hier waren wesentlich weniger Leute. Ein paar Hundert Schritt entfernt stand der Kurierzug, der die Brücke kurz vorm Einsturz passiert hatte. Neben den Waggons hatten sich die Reisenden in Grüppchen versammelt.
    Auf dem unversehrten Teil der Brücke und am Wasser wuselten geschäftige Männer in Zivil herum, die sich trotz ihrer unterschiedlichen Kleidung ähnelten wie Brüder. In einem von ihnen erkannte Fandorin Jewstrati Pawlowitsch Mylnikow, einen früheren Kollegen aus seiner Zeit in Moskau.
    Vor Mylnikow stand ein Unteroffizier in nassem, zerrissenem Uniformrock stramm – die Ermittlungen liefen offenbar auf Hochtouren. Doch der Hofrat sah nicht den Unteroffizier an, sondern Fandorin.
    »Na, so was!« Er breitete die Arme aus, als wollte er den Ingenieur an sich drücken. »Erast Petrowitsch! Was führt Sie hierher? Ach ja, Sie sind ja jetzt bei der Gendarmeriedirektion der Eisenbahn, manhat mir davon berichtet. Verzeihen Sie, daß ich in Ihr Terrain eindringe, aber das ist ein Befehl von ganz oben: Der Fall soll so schnell wie möglich und unter Einbeziehung sämtlicher betroffener Behörden aufgeklärt werden.

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