Diamantene Kutsche
Sturz noch ganz benommene Hysterikerin und packte sie an der Kehle.
Nach dem Feuer zu urteilen, das in Rybnikows Augen aufglomm, teilte er den blutrünstigen Wunsch des schwarzhaarigen Herrn. Doch der Blick, mit dem der Stabskapitän die gewürgte Lidina bedachte, spiegelte nicht nur Zorn, sondern auch gelindes Erstaunen.
Seufzend packte Rybnikow den unbeherrschten Schwarzhaarigen am Kragen und schleuderte ihn zur Seite.
Vierte Silbe,
in welcher sich ein freier Schütze
auf die Jagd begibt
Das Telefon klingelte um halb zwei in der Nacht. Noch ehe Fandorin den Hörer abgenommen hatte, winkte er seinem Kammerdiener, der den kurzgeschorenen Kopf zur Tür hereinstreckte, ersolle ihm seine Kleider reichen. Ein Anruf um diese Zeit konnte nur aus der Verwaltung kommen, obendrein in einer äußerst dringenden Angelegenheit.
Während Fandorin der bullerigen Stimme im Hörer lauschte, runzelte er immer heftiger die schwarzen Brauen. Er nahm den Hörer in die andere Hand, damit Masa ihm den Ärmel des frisch gestärkten Hemdes überstreifen konnte, wies mit einem Kopfnicken auf die Stiefeletten – der Kammerdiener verstand und brachte sie ihm.
Fandorin stellte dem Anrufer keine einzige Frage, er sagte nur: »Gut, Leonti Karlowitsch, ich komme sofort.«
Bereits angekleidet, blieb er einen Augenblick vorm Spiegel stehen. Er kämmte sich das schwarze, graumelierte Haar (»Pfeffer und Salz«), fuhr mit einer speziellen Bürste durch die vollkommen weißen Schläfen und den akkuraten Schnurrbart, in dem noch kein einziges silbernes Haar schimmerte. Er strich sich über die Wange und verzog das Gesicht, doch zum Rasieren war keine Zeit mehr.
Er verließ das Haus.
Der Japaner saß bereits im Auto, die Reisetasche in der Hand. Das Wertvollste an Fandorins Kammerdiener war, daß er nicht nur alles schnell und exakt erledigte, sondern obendrein ohne überflüssige Worte. Herr und Diener hatten die ganze Zeit kein einziges Wort gewechselt. An der Wahl des Schuhwerks hatte Masa erkannt, daß eine weite Reise bevorstand, und sich deshalb entsprechend ausgerüstet.
Der zweizylindrige Oldtimer ließ seinen Zwanzig-PS-Motor aufheulen, brauste mit Geheul aus der Sadowaja, in der Fandorin wohnte, und rollte schon kurz darauf über die Tschernyschewski-Brücke. Vom grauen, unwirklichen Nachthimmel fiel ein träger Regen, auf der Fahrbahn glänzten Pfützen. Die wunderbaren spritzfreien Reifen der Firma Herkules glitten über den Asphalt wie über schwarzes Eis.
Zwei Minuten später bremste der Wagen bereits vor dem Haus Nummer sieben der Kolomenskaja, in dem sich die Sankt Petersburger Gendarmerie- und Polizeidirektion der Eisenbahn befand.
Fandorin lief die Stufen hinauf und nickte dem grüßenden Posten zu. Der Kammerdiener blieb im Auto sitzen und wandte sich demonstrativ ab.
Bei Ausbruch des bewaffneten Konflikts zwischen den beiden Staaten hatte Masa, der zwar russischer Staatsbürger war, aber gebürtiger Japaner, erklärt, er werde Neutralität wahren, und daran hielt er sich strikt. Er äußerte weder Bewunderung für die Heldentaten der Verteidiger von Port Arthur noch Freude über die Siege der japanischen Waffen. Vor allem aber setzte er prinzipiell keinen Fuß in Militäreinrichtungen, was zeitweise sowohl ihm wie auch seinem Herrn einige Schwierigkeiten bereitete.
Die moralischen Qualen des Kammerdieners wurden noch dadurch verschlimmert, daß er nach mehrfacher Verhaftung wegen Spionageverdachts gezwungen war, seine Nationalität zu verbergen. Fandorin hatte für seinen Diener einen befristeten Ausweis auf einen chinesischen Namen erwirkt, und nun mußte Masa, wenn er das Haus verließ, eine Perücke mit langem Zopf tragen und den unmöglichen Namen Liantschan Schanhojewitsch Tschiajunewin führen. Durch alle diese Heimsuchungen hatte der Kammerdiener den Appetit eingebüßt, war vom Fleisch gefallen und nicht mehr imstande, die Herzen der Dienstmädchen und Weißnäherinnen zu brechen, bei denen er vor dem Krieg schwindelerregenden Erfolg gehabt hatte.
Die Zeiten waren schwer, nicht nur für den falschen Liantschan Schanhojewitsch – auch für seinen Herrn.
Als japanische Minenwerfer ohne Vorwarnung das Geschwader von Port Arthur angriffen, befand sich Fandorin gerade am anderen Ende der Welt, im holländischen Westindien, wo er hochinteressante Forschungen zur Unterwassernavigation betrieb.
Anfangs hatte Fandorin nichts zu tun haben wollen mit diesem Krieg zwischen zwei Ländern, die seinem Herzen teuer waren,
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