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Diamantene Kutsche

Diamantene Kutsche

Titel: Diamantene Kutsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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Man hat mich aus den Federn geholt. Faß, hieß es, nimm Witterung auf, alter Spürhund. Na ja, das mit den Federn stimmt nicht.« Mylnikow bleckte die gelben Zähne zu einem Lächeln, doch seine Augen blieben kalt und zusammengekniffen. »Wir Spürhunde schlafen in dieser Zeit nicht in Federbetten. Ihr Sybariten bei der Eisenbahn seid zu beneiden. Ich hab im Büro geschlafen, auf Stühlen, wie immer. Dafür war ich, wie Sie sehen, als erster hier. Nun verhöre ich gerade Ihre Leute – wer weiß, vielleicht war es ja eine japanische Mine.«
    »Herr Ingenieur«, wandte sich der Unteroffizier an Fandorin, »erklären Sie es bitte Seiner Hochwohlgeboren. Erinnern Sie sich an mich? Ich bin Loskutow, ich hab früher in Farforowaja am Bahnübergang gedient. Sie haben uns im Winter kontrolliert und waren zufrieden. Sie haben meine Beförderung veranlaßt. Ich habe alles gewissenhaft ausgeführt, genau nach Vorschrift! Ich bin überall selber rumgekrochen, zehn Minuten bevor der Transport kam. Es war alles sauber! Und wie sollte ein Saboteur auf die Brücke gelangt sein? Ich hab auf beiden Seiten Posten zu stehen!«
    »Es war also alles sauber?« fragte Fandorin nach und schüttelte den Kopf. »Sie haben gründlich nachgesehen?«
    »Aber ja, ich … Ehrenwort!« Der Unteroffizier riß sich keuchend die Mütze vom Kopf. »Ich schwöre bei Gott! Ich bin seit sieben Jahren … Fragen Sie, wen Sie wollen, wie Loskutow seinen Dienst versieht.«
    Der Ingenieur wandte sich an Mylnikow.
    »Was haben Sie bisher herausgefunden?«
    »Das Bild ist klar.« Mylnikow zuckte die Achseln. »Die übliche russische Schlamperei. Zuerst kam ein Kurierzug. In Kolpino hielt er, er sollte den Militärtransport mit den Kanonen vorbeilassen.Plötzlich brachte ein Telegrafist eine Depesche: Weiterfahren, der Transport verspäte sich. Ein Irrtum, irgendwer hat was durcheinandergebracht. Kaum war der Kurierzug über die Brücke, kam der Transport angerast. Ein schwerer Zug, das sehen Sie ja. Wäre er in vollem Tempo über die Brücke gefahren, wäre gar nichts passiert. Aber er hat wohl gebremst, und da sind die Pfeiler gebrochen. Dafür kriegt die Eisenbahnobrigkeit was aufs Dach.«
    »Von wem kam denn das Telegramm über die Verspätung des Transports?« fragte Fandorin, den Oberkörper gespannt vorgebeugt.
    »Das ist ja das Merkwürdige. Niemand hat ein solches Telegramm abgeschickt.«
    »Und wo ist der Telegrafist, der es angeblich angenommen hat?«
    »Wir suchen nach ihm. Bislang haben wir ihn noch nicht gefunden, seine Schicht ist vorbei.«
    Ein Mundwinkel des Ingenieurs zuckte.
    »Sie suchen schlecht. Besorgen Sie eine Beschreibung, wenn möglich ein Foto, und dann geben Sie es in die landesweite Fahndung, umgehend.«
    Mylnikow sperrte den Mund auf.
    »Den Telegrafisten? In landesweite Fahndung?«
    Fandorin nahm den Hofrat beiseite und sagte leise: »Es war Sabotage. Die B-brücke wurde gesprengt.«
    »Wie kommen Sie darauf?«
    Fandorin führte den Agentenchef zur Bruchstelle und stieg an den herunterhängenden Schwellen hinab. Mylnikow folgte ihm ächzend und sich bekreuzigend.
    »Sehen Sie her.«
    Fandorin wies mit der graubehandschuhten Rechten auf eine verkohlte, gespaltene Schwelle und auf eine zu einer Serpentine gebogene Bahnschiene.
    »Unsere Experten müssen jeden Augenblick eintreffen. Sie w-werden mit Sicherheit Spuren von Sprengstoff finden.«
    Mylnikow stieß einen Pfiff aus und schob sich die Mütze in den Nacken.
    Die beiden Ermittler hingen über dem schwarzen Wasser, auf der improvisierten Leiter leicht schwankend.
    »Also lügt der Gendarm, der sagt, er hätte sich alles angesehen? Oder schlimmer noch – er hängt mit drin? Verhaften?«
    »Loskutow ein japanischer Agent? Unsinn. Dann wäre er geflohen wie der Telegrafist. Nein, nein, auf der Brücke war keine Mine.«
    »Wie? Es gab keine Mine, aber eine Explosion?«
    »Sieht ganz so aus.«
    Der Hofrat schürzte besorgt die Lippen und kletterte die Schwellen hoch.
    »Ich gehe der Obrigkeit Meldung machen. Das gibt einen schönen Affentanz!«
    Er winkte seinen Agenten. »He, ein Boot her!«
    Doch er stieg nicht ins Boot, er hatte es sich anders überlegt.
    Er sah Fandorin nach (der ging zum Kurierzug), kratzte sich den Kopf und rannte hinterher.
    Der Ingenieur drehte sich um und nickte zu dem Zug hinüber.
    »War der Abstand zwischen den beiden Zügen tatsächlich so gering?«
    »Nein, der Kurierzug hielt weiter weg, nach einer Notbremsung. Dann ist der Lokführer ein Stück

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