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Diamantene Kutsche

Diamantene Kutsche

Titel: Diamantene Kutsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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Kennzeichen: fünfundvierzig Jahre alt, eine Narbe links am Hals und an der Schläfe, linker Arm verkrüppelt. Spitzname Kamiyasuri, Schleifpapier, weil er den Griff seines Schwertes mit Schleifpapier umwickelt, seine Rechte ist härter als Eisen. Das ist er, der Krüppelarm! Warten Sie, warten Sie, hier ist noch was …« Asagawa entnahm der Mappe nacheinander drei Blätter, mit einer seltsamen braunen Tusche beschrieben. »Ein Schwur. Mit Blut geschrieben. ›Wir, die Unterzeichner, schwören bei unserer Ehre, unser Leben nicht zu schonen im Namen des hohen Ziels – der Vernichtung des gemeinen Verräters Okubo …‹ Drei Blätter. Auf dem einen sind sechs Unterschriften – das sind die sechs, die den Minister getötet haben. Auf dem zweiten sind drei Unterschriften, die erste ist die von Ikemura Heske. Unsere Satsumer! Auf dem dritten sind vier Unterschriften. Es gab also noch eine weitere Gruppe, und die ist unentdeckt geblieben. Hier stehen die Namen, es wird nicht schwer sein, die Verschwörer zu finden, solange sie noch nichts angestellt haben. Wir haben gesiegt, Fandorin-san! Wir haben Suga in der Hand! Mit diesen Schwüren und den unterschlagenen Berichten können wir ihn unter Druck setzen!«
    »Wir haben ihn ohnehin in der Hand«, bemerkte Fandorin kaltblütig. »Dieses nette Archiv kostet ihn den Kopf, auch ohne jede V-verschwörung.«
    Asagawa schüttelte den Kopf.
    »Meinen Sie, ich werde erlauben, daß diese Abscheulichkeitennach außen dringen? Hier liegt soviel Schmutz, so viele Familiengeheimnisse! Das würde eine Welle von Selbstmorden, Scheidungen, Skandalen und unehrenhaften Rücktritten auslösen. Nein, schlimmer! Der neue Minister würde sich das Archiv aneignen, behaupten, er habe alles vernichtet, das Pikanteste jedoch aufheben – für alle Fälle.«
    »Also, was tun?«
    »Wir werden dieses Gift vernichten. Ungelesen.«
    »Sehr edel«, sagte Fandorin, der die japanischen Geheimnisse ohnehin nicht hätte genießen können. »Aber was sind das hier für Zeichen? Sieht nicht nach Hieroglyphen aus.«
    Er zeigte auf ein Blatt Papier ganz am Ende der Mappe. In der Mitte war ein Kreis gezeichnet, darin ein seltsamer Krakel. Von dem Kreis führten Linien zu anderen, kleineren Kreisen.
    »Stimmt, das sind keine Hieroglyphen«, murmelte der Inspektor und vertiefte sich in die Zeichnung. »Zumindest keine japanischen. Solche Schriftzeichen sehe ich zum erstenmal.«
    »Sieht aus wie ein Schema der Verschwörung«, mutmaßte Fandorin. »In chiffrierter Form. Es wäre schön, herauszufinden, für wen der K-kreis in der Mitte steht.«
    »Bestimmt für Suga.«
    »Wohl kaum. Er würde sich selbst nicht mit einem Krakel kennzeichnen, er hätte einfach einen Kreis gezeichnet.«
    Schulter an Schulter beugten sie sich über das rätselhafte Blatt. Asagawa, der wohl zu viel Staub eingeatmet hatte, nieste, und zwar so laut, daß ein ohrenbetäubendes Echo von der niedrigen Decke hallte.
    »Sind Sie verrückt!« zischte Fandorin. »Leise!«
    Der Japaner winkte unbekümmert ab und erwiderte, ohne die Stimme zu senken: »Ist doch egal. Jetzt müssen wir uns nicht mehr verstecken. Sobald wir die überflüssigen Dokumente vernichtet haben, werde ich selbst den Wachhabenden rufen und erklären, daß …«
    Er brach ab.
    Ohne jede Vorwarnung schlug die Geheimtür mit dem ihnen bereits bekannten metallischen Klingen zu. Die Wand bebte kurz, dann wurde es ganz still, wie in einem Verlies.
    Fandorins erste Reaktion war eine reine Nervensache – er sah auf die Uhr. Es war achtzehn Minuten nach zwei.
     
    Ob zwei Uhr achtzehn
    Oder auch zwei Uhr neunzehn –
    Ist das nicht egal?

Schuppen von den Augen
    In den ersten Minuten reagierten die in der Falle sitzenden Einbrecher ganz spontan und berechenbar – mehrere Minuten lang klopften sie mit den Fäusten gegen die undurchdringliche Wand, tasteten sie nach einem Spalt ab, suchten nach einem Knopf oder Hebel. Schließlich überließ Fandorin die hektische Suche seinem Partner und setzte sich mit gekreuzten Beinen auf den Fußboden.
    »Das ist n-nutzlos«, sagte er ruhig. »Hier drin ist kein Hebel.« »Aber irgendwie hat sich die Tür doch geschlossen! Es ist niemand ins Büro gekommen, das hätte ich gehört – ich habe den Riegel vorgeschoben!«
    Fandorin erklärte: »Ein Uhrwerk. Eingestellt auf zwanzig Minuten. Ich habe von solchen Türen gelesen. Man verwendet sie bei großen Banksafes und gepanzerten Lagerräumen – überall dort, wo man die Beute nicht so schnell

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