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Diamantene Kutsche

Diamantene Kutsche

Titel: Diamantene Kutsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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Archiv erzählt?«
    »Ein Ninja aus dem Momoti-Clan!«
    Nach dem eingetretenen Schweigen zu urteilen, war Suga erschüttert. Also glaubte er ihm.
    »Wie sind Sie auf die gestoßen?« fragte der Intendant nach einer halbminütigen Pause.
    »Das sage ich Ihnen nicht. Nur der Name, hatten wir abgemacht. Lassen Sie mich raus!«
    Er zog aufs Geratewohl eine Mappe aus dem Regal, nahm mehrere Blätter heraus und begann sie zu zerreißen, die Arme zum Fenster hochgereckt.
    »Gut! Absprache ist Absprache. Werfen Sie Ihre Waffe her!«
    Asagawa nickte und preßte sich eng an die Wand – dort, wo gleich die Tür aufgehen mußte.
    Fandorin stellte sich auf Zehenspitzen und warf seine Herstal in das Luftloch.
    Das Fenster verdunkelte sich – erneut tauchte darin ein Auge auf. Es musterte Fandorin eingehend.
    Der hatte alle Muskeln angespannt, um sofort in den toten Winkel springen zu können, sollte anstelle des Auges im Quadrat eine Mündung auftauchen.
    »Ziehen Sie sich aus«, befahl Suga. »Ganz. Nackt.«
    »Wozu das?«
    »Ich will mich überzeugen, daß Sie nicht noch eine weitere Waffe bei sich tragen.«
    Fandorin sah, daß Asagawa vorsichtig, mit zwei Fingern den Hahn spannte, und sagte schnell: »Aber lassen Sie sich nicht einfallen zu schießen. Ehe Sie dazu kommen, springe ich zur Seite. Und dann ist die Abmachung hinfällig.«
    »Ehrenwort«, versprach der Intendant.
    Er log natürlich, aber Fandorins Worte waren auch nicht für ihn bestimmt, sondern für den Inspektor, und der begriff und bedeutete ihm mit einer beschwichtigenden Geste: Ich schieße nicht.
    Fandorin entkleidete sich ganz langsam, wies jedes Stück seiner Garderobe einzeln vor und warf es dann zu Boden, bis er schließlich im Adamskostüm dastand.
    »Sie sind gut gebaut«, lobte Suga. »Nur der Bauch ist zu flach.Der Hara eines Mannes muß kräftiger sein. Und nun drehen Sie sich mit dem Rücken zu mir und heben Sie die Arme.«
    »Damit Sie mich in den Hinterkopf schießen können? O nein!«
    »Schon gut. Kleidung unter den Arm. Die Stiefeletten in die andere Hand. Wenn ich die Tür öffne, kommen Sie langsam heraus.«
    Die raffinierte Tür sprang auf.
    »Lebend«, flüsterte Fandorin Asagawa nur mit den Lippen zu, als er sich an ihm vorbeischob.
    Im Büro brannte helles, leicht flackerndes Licht. Suga stand auf dem Stuhl, den der Vizekonsul vorhin an die Wand gerückt hatte. Er hielt einen großen schwarzen Revolver in der Hand (offenbar einen schwedischen Hagström), Fandorins Herstal lag auf dem Tisch.
    »NACKTER VIZEKONSUL IM BÜRO DES POLIZEI-CHEFS ERSCHOSSEN«, dachte der Diplomat.
    Unsinn, Suga würde nicht schießen. Dies hier war kein hermetisch abgeschotteter Raum, wo die Wände den Lärm schluckten. Die Wachhabenden würden den Schuß hören und herbeigelaufen kommen. Das konnte Suga nicht wollen. Aber natürlich hatte er nicht vor, Fandorin hier lebend rauszulassen.
    Fandorin warf einen kurzen Blick auf den Intendanten und lief zielstrebig Richtung Ausgang.
    »Wo wollen Sie hin?« fragte Suga erstaunt und sprang auf den Fußboden. »Wollen Sie splitternackt durchs Gebäude laufen? Ziehen Sie sich an. Außerdem würde man Sie nicht rauslassen. Ich begleite Sie.«
    Der Polizeichef hatte seinen Revolver weggesteckt und streckte demonstrativ die leeren Hände aus: Ich halte mein Wort.
    Natürlich hatte Fandorin nicht die Absicht, splitternackt durch die Flure zu spazieren. Sinn dieses Manövers war etwas anderes: Er wollte den Intendanten von der Geheimtür weglocken und ihn zwingen, ihr den Rücken zuzuwenden.
    Es funktionierte!
    Suga sah zu, wie Fandorin sein Mephistopheles-Gewand anlegte, indessen glitt Asagawa lautlos aus der Kammer und zielte auf den General.
    Wie will dieser gerissene Kerl mich wohl umbringen, überlegte Fandorin, während er seinen Turnschuh anzog. Es darf schließlich keine Blutspuren auf dem Parkett geben.
    »Sie sind ein interessanter Mann, Mister Fandorin«, bullerte Suga und lachte gutmütig in seinen gezwirbelten Schnauzer. »Sie gefallen mir sogar. Mir scheint, wir haben vieles gemeinsam. Wir verletzen beide gern Regeln. Wer weiß, vielleicht führt uns das Schicksal eines Tages wieder zusammen, nicht unbedingt als Opponenten. Erst einmal werden sich die Beziehungen zwischen Japan und Rußland vermutlich abkühlen, aber so in fünfzehn, zwanzig Jahren wird das Ganze anders aussehen. Dann sind wir eine Großmacht, und Ihre Regierung wird begreifen, daß man uns nicht manipulieren kann, daß man mit uns gut Freund

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