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Diamantene Kutsche

Diamantene Kutsche

Titel: Diamantene Kutsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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wirklich neugierig!«
    Hauptsache, nicht in die Ecke schauen, wo Asagawa sitzt, sagte sich Fandorin. Suga sieht ihn nicht, er ist überzeugt, ich sei hier allein.
    Dann bedauerte er in Gedanken, bei Doronin nicht ein paar Stunden Battojutsu genommen zu haben – die Kunst, die Waffe zu ziehen. Jetzt blitzschnell die Herstal ziehen und dem Schurken eine Kugel in die Stirn jagen! Bei offenem Fenster würden sie bis zum Morgen nicht ersticken, und dann würden Leute kommen und sie aus ihrer Falle befreien.
    »Und Sie? Wie haben Sie erfahren, daß ich hier bin?« fragte Fandorin, um den Intendanten abzulenken, wobei er die Hände auf den Rücken legte und sich ein wenig reckte, als seien seine Schultern eingeschlafen. Mit der Hand tastete er nach dem flachen Halfter.
    Aus dem Augenwinkel nahm er eine Bewegung in der Ecke wahr – offenbar griff auch der Inspektor nach seiner Waffe. Doch was nützte das? Von dort konnte er das Fenster nicht treffen, und beim geringsten verdächtigen Geräusch würde Suga in Deckung gehen.
    »Die Dienstwohnung des Polizeichefs liegt gleich nebenan. DieAlarmanlage hat sich eingeschaltet«, erklärte Suga bereitwillig, ja stolz. »Wir leben hier zwar im tiefsten Asien, bemühen uns aber um Anschluß an den technischen Fortschritt. So, ich habe Ihre Neugier befriedigt, nun befriedigen Sie meine.«
    »Aber gern.« Der Vizekonsul lächelte und schoß.
    Er feuerte aus der Hüfte, ohne Zeit fürs Zielen zu vergeuden, doch der Intendant reagierte blitzschnell – er verschwand vom Fenster, und der exzellente Schuß (er hatte nicht die Wand getroffen, sondern genau in die Fensteröffnung) ging ins Leere.
    Von dem Schuß wurden Fandorins Ohren taub. Er schlug sich mit der flachen Hand erst auf die linke, dann auf die rechte Wange. Das Klingen wurde leiser, und er hörte Suga sagen: »… etwas in der Art gerechnet und war auf der Hut. Wenn Sie unhöflich sind und nicht auf meine Fragen antworten, dann mache ich gleich die Klappe zu und komme in ein paar Tagen wieder, Ihre Leiche abholen.«
    Asagawa erhob sich lautlos und preßte sich mit dem Rücken gegen das Regal. Er hielt den Revolver in der Hand, doch Suga würde sich nicht noch einmal in die Schußlinie stellen, das war klar.
    »Aber bitte, tun Sie das.« Fandorin preßte den Finger auf die Lippen. »Holen Sie meinen vergänglichen Leib. Und vergessen Sie den Kleber nicht. Sie werden einige Jahre damit zubringen, die zehntausend Papierschnipsel wieder zusammenzukleben – Ihre wertvollen Dossiers. Noch habe ich erst den Inhalt von sieben Mappen zerrissen, aber hier stehen mindestens zweihundert.«
    Schweigen. Der Intendant schien nachzudenken.
    Der Inspektor bedeutete Fandorin: Heben Sie mich hoch, damit ich ans Fenster rankomme. Fandorin zuckte die Achseln, nicht sonderlich überzeugt von dem Plan, aber warum es nicht versuchen?
    Er packte das Regal und riß es zu sich heran. Mappen polterten zu Boden, und diesen Lärm nutzte der Vizekonsul, umfaßteAsagawas Taille, hob ihn mit einem Ruck auf seine ausgestreckten Arme und drückte ihn mit dem Bauch gegen die Wand, um ihn leichter halten zu können. Der Japaner war nicht sehr schwer, vielleicht hundertfünfzig Pfund, und Fandorin stemmte schließlich jeden Morgen vierzigmal seine beiden hundert Pfund schweren Hanteln.
    »Was machen Sie da?« rief Suga.
    »Ich hab die Regale umgeworfen. Versehentlich natürlich!« Und leise zum Inspektor: »Vorsicht! Er darf nichts merken.«
    Ein paar Sekunden später klopfte Asagawa seinem Partner auf die Schulter: Laß mich runter.
    »Es geht nicht«, flüsterte er, während er herabstieg. »Das Fenster ist zu klein. Ich kann entweder rausschauen oder den Lauf rausschieben. Beides zugleich geht nicht.«
    »Fandorin! Hier sind meine Bedingungen«, verkündete der Intendant. Er stand offenbar direkt unter der Wand, Asagawa hätte ihn also ohnehin nicht sehen können. »Sie rühren die Regale nicht mehr an. Sie nennen mir den Namen desjenigen, der Ihnen von dem Archiv erzählt hat. Dann lasse ich Sie raus. Selbstverständlich, nachdem ich Sie durchsucht habe – damit Sie nicht irgend etwas zur Erinnerung mitnehmen. Und dann verschwinden Sie mit dem ersten Schiff aus Japan. Es sei denn, Sie möchten auf den Ausländerfriedhof in Yokohama umziehen.«
    »Er lügt«, flüsterte der Inspektor. »Er läßt Sie nicht lebend raus.«
    »Das sind reelle Bedingungen!« rief Fandorin. »Ich nenne Ihnen den Namen. Aber mehr nicht.«
    »In Ordnung! Wer hat Ihnen von meinem

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