Dicke Hose (German Edition)
einer Postkarte.
«… bevor wir Sex hatten.»
Wie soll man das auch diplomatisch ausdrücken?
Außerdem hat Kai doch meine Andeutung heute Morgen mitbekommen.
«Du hast mit Victoria geschlafen?» Er reißt überrascht seine Augen auf.
Er wusste es nicht? Harrr. Ich sage jetzt besser nichts mehr.
«Ja, habe ich. Aber danach war ich nicht mehr baden. Also … nicht mehr mit Tanja. Nur noch duschen. Also … ohne Tanja natürlich.»
«Verstehe … du warst baden », sagt Kommissar Kai, und es hat den Anschein, als wolle er, entgegen sämtlichen schwulen Gepflogenheiten, doch lieber keine weiteren Details aus meinem Privatleben hören.
Aber ich möchte noch etwas loswerden. «Ich hätte wirklich niemals gleichzeitig … also, natürlich meine ich nicht gleichzeitig , sondern zur selben Zeit … nur zeitversetzt … mit Victoria und Tanja …» Hilfesuchend blicke ich zu Kai. «Das würde ich gar nicht durchstehen.»
Er nickt. «Den Eindruck habe ich allerdings auch.»
«Ich weiß, ich sollte dringend mit Victoria reden», fahre ich fort, meinem Herzen Luft zu machen und mich der fleischgewordenen Postkarte anzuvertrauen. «Sie ist eine tolle Frau. Es hat mich ganz schön erwischt. Ich wünschte wirklich, wir könnten noch einmal von vorn anfangen. Ohne diese ganzen Missverständnisse …» Und mehr zu mir selbst füge ich hinzu: «Ist vielleicht am besten, ich rufe sie an. Jetzt gleich.»
Kai hebt die Augenbrauen, bis sie unter dem gelackten Pony verschwinden. «Bist du verrückt? Du willst sie jetzt anrufen?» Entsetzt schüttelt er den Kopf. «Von Frauen verstehst du offenbar noch weniger als von Handtaschen.»
«Aber Frauen wollen doch immer reden», ignoriere ich seinen Einwand, «das weiß ich zufällig ganz genau.»
«Ach ja? Dann weißt du aber nur die Hälfte.»
Langsam wird mir das hier zu blöd. «Und was weißt du über die andere Hälfte?»
Statt einer Antwort fährt Kai mit seiner Erklärung fort: «Mir ist schon klar, dass du die Sache, so schnell es geht, bereinigen willst, aber glaube mir …» Er macht eine Kunstpause. Sowohl sein Blick als auch seine Stimme haben jetzt etwas Therapeutisches. «So funktioniert das bei Frauen nicht.»
Woher zum Geier will denn ausgerechnet er das wissen?
«Bevor du mit ihr redest, sollte ein wenig Zeit ins Land gehen. Das zeigt der Frau, dass du dir eine Weile Gedanken gemacht hast.»
Oh. Na, wer sagt’s denn! War vielleicht doch ganz gut, dass ich Victoria vorhin nicht hinterhergelaufen bin. Instinktiv habe ich mich richtig verhalten.
«Außerdem …» Der therapeutische Ausdruck auf Kais Gesicht weicht dem eines überqualifizierten Gehirnchirurgen. «Außerdem bringt Abwarten noch einen weiteren entscheidenden Vorteil mit sich.»
Ich sag es ja: Ich habe mich instinktiv richtig verhalten. Und nur für den Fall, dass ich noch einmal unverschuldet in eine solche Situation gerate, hake ich nach: «Und welchen?»
Kai demonstriert mit einer weiteren Gehirnchirurgen-Pause seine Überlegenheit. Dann sagt er: «Heute braucht Victoria noch, um wütend zu sein. Du könntest die dramatischsten Entschuldigungen vor ihr ausbreiten, sie würde dich nicht anhören. Morgen hingegen hat sie im besten Fall schon mal einen kurzen Moment Angst gehabt, du würdest dich gar nicht mehr bei ihr melden. Das ist deine Chance. Jedenfalls, wenn du es geschickt anstellst.»
Tja, aber wie wir ja leider wissen, bin ich nicht unbedingt Meister der geschickten Unterhaltungskultur.
«O-kay», sage ich und fühle, wie mein Enthusiasmus langsam abebbt, «dann also morgen.» Vielleicht geschieht bis dahin ja ein Wunder. Oder ich falle über Nacht in das ersehnte Dauerkoma.
«Ganz genau», sagt Kai. «Und überleg dir gut, was du ihr sagen willst, denn morgen zählt jedes Wort doppelt.»
«Äh … wieso doppelt?»
Kai rollt mit den Augen. «Na, weil du bis dahin Zeit hattest, dir Gedanken zu machen. Wenn du dann nichts Vernünftiges herausbringst, wird sie dich gnadenlos abschießen.»
Ich glaube, es wäre doch besser gewesen, ihr sofort hinterherzulaufen.
[zur Inhaltsübersicht]
22. Kapitel
Am nächsten Morgen bin ich pünktlich um 10 Uhr an der Ecke Jungfernstieg und Neuer Wall und warte auf Bruno Lembke. Während ich dort stehe, wähle ich mal wieder Florians Nummer. Aber offenbar hat er sich komplett vom Alltag losgesagt – nicht mal seine Mailbox meldet sich.
Auf der anderen Straßenseite entdecke ich jetzt Bruno Lembke. Trotz eines dicken Wollmantels und
Weitere Kostenlose Bücher