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Dicke Hose (German Edition)

Dicke Hose (German Edition)

Titel: Dicke Hose (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mia Morgowski
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deutlich kleiner geworden. Stattdessen hängen nun alle an meinen Lippen. Und zum ersten Mal an diesem Tag bin ich froh über den Versace-Anzug. Denn wer den Mut hat, sich wie Gary Glitter zu kleiden, der findet auch Gehör.
    Kurzerhand hänge ich mir die schlammfarbene Marcie über den Arm. Eine Anprobe sagt mehr als tausend Worte!
    «In der kommenden Saison soll die bag mit der Trägerin verschmelzen, sie aufwerten, ohne sich in den Vordergrund zu drängen. Das wird vor allem dank der neuen Farben Ash, Schlamm, Nude und Desert Rose der Fall sein.»
    Im Stillen bete ich, dass mich das Tragen dieser Tasche nicht schwul werden lässt.
    «Meine Damen, das ist so miucci! »
    Die Kundinnen klatschen begeistert, dann greifen alle gleichzeitig nach der Tasche und versuchen, sie mir zu entreißen.
    «Ich nehme sie!», kreischt eine Frau.
    «Ich hab zuerst gefragt», empört sich eine zweite, die weiter hinten steht.
    «Und ich will die in Ash», verlangt die dritte.
    «Ich auch.»
    Das Chaos ist perfekt.
    «Haben Sie die Falabella denn auch in Schlamm?»
    «Warum gibt es die nur in Pink? Ich dachte, Schlamm sei das neue Pink?»
    Also, blöd sind die nicht, das muss man den Mädels ja lassen.
    «Sie müssen wissen, meine Damen, dass die Falabella eher ein Modell für den Abend ist. Da soll die ganze Frau strahlen, samt Accessoires, Schmuck und Kleid. Am Abend darf es ja immer ein bisschen mehr sein», sage ich und registriere, dass Victoria verschämt zu Boden blickt. Findet sie das etwa lächerlich?
    Doch mein Erfolg gibt mir recht.
    «Dann nehme ich die pinke», ruft eine der Kundinnen.
    «Ich möchte sie auch haben!»
    «Haben Sie auch das größere Modell?»
    «Meine Damen …», versuche ich die Meute zu beruhigen. «Heute verkaufen wir leider nur die Modelle, die Sie hier im Regal sehen. Aber übermorgen, am Samstag, ist unser Eventtag. Verkaufsstart für die neue Ware. Und gleichzeitig eine Top-Gelegenheit, sich Ihr Monogramm in die Taschen drucken zu lassen oder sich ein Unikat zu bestellen.»
    Die Frauen schnattern aufgeregt durcheinander, als wäre dies der Verkaufsstart des neuen iPads. Victoria hatte recht: So ähnlich sieht es in der Technikabteilung bei Saturn aus, wenn ein neues Gerät auf den Markt kommt.
    Was wäre die Welt nur ohne Hobbys?

[zur Inhaltsübersicht]
    21. Kapitel
    Um 19 Uhr schließen wir erschöpft den Laden. Dummerweise geht jetzt die Arbeit erst richtig los.
    In Windeseile wird der Raum im Keller, der bislang als Büro und Lager diente, ausgeräumt und so Platz für die wichtigsten Regale und Kleiderständer aus den oberen Verkaufsräumen geschaffen. Morgen nach Ladenschluss sollen sie hier unten vorübergehend aufgestellt werden. Bislang verdeckte und nun staubig hervorscheinende Ecken sowie Flecken an den Wänden und auf dem Fußboden werden ausgebessert, geputzt und poliert. Zwischendurch kochen wir wechselseitig Kaffee und plündern die Weihnachtskekse.
    Als gegen Mitternacht der Großteil der Arbeit erledigt ist, zückt Kai eine Flasche Eierlikör aus seiner Tasche.
    «Von meiner Oma», sagt er und will jedem von uns etwas davon in ein Wasserglas einschenken. Doch Victoria streikt.
    «Jungs, seid mir nicht böse, aber ich gehe nach Hause.» Noch immer vermeidet sie es, mich anzusehen. Bereits den ganzen Nachmittag hat sie mich, so gut es ging, ignoriert. Und jetzt hat es den Anschein, als würden wir ohne eine Aussprache auseinandergehen müssen. Dabei weiß doch jedes Kind, dass man nicht im Streit einschlafen soll. Und dass Frauen eigentlich immer die sofortige Aussprache wünschen. Doch irgendwie fehlen mir die passenden Worte. Und selbst wenn mir etwas einfiele, möchte ich nicht denselben Fehler noch einmal machen und reden, solange Kai neben uns steht.
    «Macht euch einen schönen Abend», sagt Victoria und schnappt sich ihre Tasche. «Ihr habt es wirklich verdient.» Sekunden später ist sie auch schon verschwunden.
    Vollkommen perplex starre ich auf die Stelle, wo sie eben noch gestanden hat.
    «Auf das Event!», trompetet Kai unangemessen fröhlich durch die Stille und hebt sein Eierlikörglas. «Cheers!»
    Mechanisch lasse ich mein Glas gegen seines stoßen. Nebenbei arbeitet mein Hirn auf Hochtouren. Los, Alex, lauf ihr hinterher. Du weißt doch, wie Frauen ticken!
    Doch statt mich auch nur einen Schritt von der Stelle zu bewegen, leere ich stumpf mein Glas. Nun geh schon, sonst ist es zu spät!
    Kai schenkt noch einmal nach. Dann stopft er die Flasche zurück in seine

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