Dicke Moepse
wieso Bankgeheimnis, wenn der Dieb ohne Strafe davonkommt?« Ich bin völlig schockiert über so viel Ungerechtigkeit.
»Um ehrlich zu sein, genau solche Fälle haben mich davon abgehalten, Jura zu studieren. Ich blicke da auch nicht durch.« Andreas ist wirklich am Boden zerstört und tut mir leid. In so einer Situation müssen schließlich alle zusammenhalten.
»Und wie soll es jetzt weitergehen?«, frage ich vorsichtig, doch ich ahne bereits, was mir Andreas gleich verkünden wird.
»Um ehrlich zu sein, ich wünschte, ich könnte dir etwas anderes sagen. Aber …« Andreas macht eine kurze Pause und holt tief Luft. In diesem Moment biegt Stefan um die Ecke. Auch er scheint bereits über die Katastrophe im Bilde zu sein, denn er schaut ziemlich betroffen drein. Offenbar hat er doch menschliche Gefühle. Leider hilft uns das jetzt auch nicht weiter.
»Ich habe heute Morgen bereits mit Holland telefoniert. Wenn wir nicht innerhalb von drei Monaten vier Millionen Euro auftreiben, dann werden die Besitzer des Willbert-Zoos alle Tiere an den Investor nach China verkaufen, der bereits Lucinda und ihren Nachwuchs übernehmen wollte. Auch für das Gelände haben sie bereits Pläne. Hier soll ein riesengroßes Einkaufszentrum entstehen.«
Ich bin geschockt. Meine geliebten Tiere? Nach China? Womöglich landet Eric dann in einem großen Kessel Nudelsuppe! Mir wird ganz schlecht bei der Vorstellung, dass ich meine Lieblinge bald nicht mehr täglich um mich herum haben soll. So frustriert ich in letzter Zeit auch war, meine Tiere kann ich nicht leiden sehen.
»Aber das können wir nicht zulassen!«, rufe ich so laut, dass Stefan vor Schreck zusammenfährt. Er scheint nicht ganz bei der Sache zu sein. Wahrscheinlich macht er sich schon Gedanken über Alternativjobs. Bald wissen wir alle nicht mehr, wie wir unsere Monatsmiete bezahlen sollen.
»Ich habe für heute Nachmittag eine Konferenz einberufen. Dann werde ich euch über den weiteren Verlauf aufklären. Bis dahin bitte ich euch natürlich, eure Arbeit weiterhin durchzuführen. Die Tiere sollen nicht darunter zu leiden haben«, sagt Andreas traurig.
Stefan und ich gehen gebeugten Hauptes zu unseren Spinden und ziehen unsere Arbeitskluft an. Ich erlange langsam meine Fassung zurück, und mein Gehirn beginnt zu arbeiten. So schnell gibt eine Rosi Jakob sich nicht geschlagen. Es muss einfach einen Ausweg geben!
»Also, wenn ick du wäre, würde ick hier meene Zelte so schnell wie möglich abbrechen«, murmelt Stefan verstohlen hinter seiner Spindtür hervor.
»Wieso das denn?«, frage ich etwas überrascht.
»Na ja, hier is doch nüscht mehr zu holen, wer weeß schon, ob wa übahaupt noch unsa Jehalt kriegen. Je früher man sich bei andern Zoos bewirbt, desto jrößer stehen die Schangsen, och jenommen zu werden. Immerhin werden demnächst ziemlich viele Fleger auffa Straße stehen.«
»Du bist ja sehr optimistisch. Glaubst du denn nicht, dass wir den Zoo mit vereinten Kräften doch noch retten können?« Mein Kampfgeist ist erwacht.
»Ach, Röscken. Jloob mir, sozialet Denken hat noch keene Braut und keen Bräutigam weiterjebracht. Ohne Ellebogen wird dett nüschte. Merk dir ditt. Alte Lebensweiskeit von mein Vattan. Kannste behalten.« Stefan tritt hinter seinem Spind hervor. Statt sich umzuziehen, hat er all seine Sachen zusammengepackt und streckt mir nun seine Hand zum Abschied entgegen.
»Also, ick sach denn ma hasta luego, war nett, dir kennenzulernen. Ick mach noch kurz meene Aussage bei den Bullen und suche denn ditt Weite!«
Wie ferngesteuert drücke ich Stefan die Hand und schaue ihm betroffen hinterher, als er unsere Garderobe verlässt. Wie oft habe ich diesen Augenblick herbeigesehnt, dass mein verhasster Kollege die Fliege macht! Da merkt man mal wieder, dass Wünsche vom Umtausch ausgeschlossen sind. In so mancher Wunschvorstellung fehlt der Beipackzettel, der einen über die Risiken und Nebenwirkungen aufklärt.
Ich beeile mich, meinen Spind abzusperren, und mache mich an die Arbeit. Dank Stefans verfrühtem Abgang muss ich seinen Job nun zusätzlich erledigen. Das ist ja nichts Neues. Also schaufele ich Mist, schnipple Obst und Gemüse, füttere, streichele, säubere und ackere, was das Zeug hält. Die Schufterei kommt mir gerade recht, denn immer noch plagt mich die Erinnerung. Ich bin so naiv wie ein Butterblümchen, es ist grauenvoll! Null Menschenkenntnis! Nicht nur, dass ich nicht gemerkt habe, dass Herr Weiner verheiratet ist, nein,
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