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Dickner, Nicolas

Dickner, Nicolas

Titel: Dickner, Nicolas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikolski
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unterbrochen?“
    „Nein, die Telefonverbindung in die gesamte Region scheint unterbrochen zu sein. Die Wetterlage in Venezuela ist schlecht. Vielleicht wurde die Infrastruktur beschädigt. Ich möchte Sie bitten, es später noch einmal zu versuchen.“
    Noah bedankt sich und legt auf. Vorsichtig öffnet er die Tür der Telefonzelle einen Spalt breit und rückt seinen zu dünnen Mantel und seinen zu kurzen Schal zurecht.
    „ ¡Carajo! “, schimpft er mechanisch.
    Ein Rattern lässt seinen Kopf plötzlich herumfahren. Eine Schneefräse kommt von der Kreuzung herangerauscht, ein bedrohlicher Anblick. Sie fährt an der Telefonzelle vorbei, bremst mit einem Knirschen aus Salz und Splitt und fährt aufwendig wieder an. Noah springt über die aufgeworfene Schneewand und setzt seinen Weg im Kielwasser der Fräse fort.
    Als er in der Wohnung ankommt, schaut Maelo gerade die Nachrichten im Fernsehen. Auf dem Tisch im Wohnzimmer stehen recht augenfällig eine Flasche Mamajuana und zwei kleine Gläser. Noah schüttelt den Schnee von seinem Mantel und hängt ihn an den Kleiderhaken.
    „Und?“, fragt Maelo, während er die Flasche öffnet.
    Noah lässt sich auf das Sofa plumpsen und bewegt die Zehen, damit wieder ein bisschen Blut hineinkommt.
    „Nichts Neues. Die Verbindung ist unterbrochen. Ich werde später noch mal anrufen.“
    Auf dem Bildschirm erklärt Hugo Chavez den Ausnahmezustand in den Bundesstaaten Vargas, Miranda, Zulia, Falcon, Yaracuy, Nueva Esparta, Carabobo und im Bundesdistrikt Caracas. Es ist die verheerendste Überschwemmung in Südamerika seit Jahrzehnten.
    „Machst du dir Sorgen um sie?“, fragt Maelo und reicht Noah ein Glas Mamajuana.
    Noah leert abwesend den Inhalt des Glases und zuckt mit den Schultern. Auf dem Bildschirm erscheinen zusammenhanglos mehrere Bilder. Eine Schlammlawine durchquert ein Elendsviertel. Ein kleines rotes Auto hängt in einer Betonwand. Ein Mann bis zu den Oberschenkeln in braunem Wasser mit einem Kind auf dem Arm. Hubschrauber, Feuerwehrfahrzeuge, Krankenwagen.
    „Nein“, antwortet Noah schließlich. „Kein Grund zur Sorge. Da müsste es schon einen Vulkanausbruch geben, um das Haus der Burgos von der Stelle zu bewegen. Es ist gewaltig. Mit so dicken Mauern. Und gebaut hoch über der Stadt, in der Nähe des Forts von Santa Rosa. Einen besser geschützten Ort auf Margarita gibt es nicht.“
    Im Fernsehen hat der Saal der UNO-Generalversammlung das Chaos der Überschwemmung abgelöst. Von einer Entwaffnung des Irak ist die Rede, Inspektorenteams, Forderungen der USA.
    Das Telefon klingelt. Maelo streckt den Arm aus und nimmt, ohne den Ton des Fernsehers leiser zu stellen, das Gespräch mit einem vorsichtigen Hallo? entgegen. Ein erleichtertes Lächeln durchfährt sein Gesicht. „Endlich! Ich warte schon seit heute Nachmittag auf deinen Anruf . . . Ja . . . Was? Vier Stunden hast du am Flughafen von Newark festgesessen?“
    „Oh ja, das war der Wahnsinn in Newark“, beteuert Noah.
    Er schraubt die Flasche Mamajuana auf und gießt sich einen großzügigen Schluck ein. Im Fernsehen wird das Wetter für die nächsten Tage in aller Ausführlichkeit beschrieben: Graupel und Schnee in Hülle und Fülle. Er nimmt die Fernbedienung und wechselt den Sender. Auf allen Frequenzen gibt es nichts als Schlammlawinen, Flüchtlinge und Zahncreme gegen Paradontose.
    „Ja“, fährt Maelo fort. „Sie sind in den Fischladen gekommen. Haben mir alle möglichen Fragen gestellt. Ich habe ihnen natürlich gesagt, ich wüsste nicht, wo du stecken könntest . . . Keine Ahnung. Sie haben deine Wohnung leergeräumt. Dafür haben sie praktisch den ganzen Tag gebraucht. Hast du eigentlich auch mal aufgeräumt, von Zeit zu Zeit? . . . ¡Chistosa! . . . Okay, ich werd’ dann mal wieder, ich habe heute Gäste bei mir . . . Ja . . . Okay. Halte mich auf dem Laufenden, wenn du Zeit hast. Und lass dich von Großmutter Úrsula nicht zu doll schikanieren!“
    Er legt auf und trinkt sein Glas Mamajuana dort weiter, wo er aufgehört hatte.
    „Plötzliche Abreisen haben gerade Hochkonjunktur“, erklärt er zwischen zwei Schlucken. „Das war eine Freundin von mir, die musste gestern sehr dringend in die Ferien fahren. Ich habe sie zu meiner Großmutter in die Sonne geschickt.“
    Noah nickt geistesabwesend. Er leert sein Glas in einem Zug, gähnt lange.
    „Okay. Ich lege mich schlafen, ich bin erledigt.“
    „Träum schön.“
    Noah wankt ins Schlafzimmer, öffnet ganz sachte die Tür. Der

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