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Die 10. Symphonie

Die 10. Symphonie

Titel: Die 10. Symphonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Gelinek
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herausfand.
    Doktor Werner war kein Beethoven-Experte, doch wie Tausende weiterer Kinog änger kannte er die beiden in den letzten Jahren herausgekommenen Filme über die turbulenten Beziehungen des Genies zum anderen Geschlecht. Ludwig van B. - Meine unsterbliche Geliebte, in dem Gary Oldman den großen Musiker verkörpert, stellte die Hypothese auf, dass die Liebe seines Lebens seine Schwägerin gewesen sei. Die krankhaft wirkende Besessenheit, mit der Beethoven versucht hatte, die Vormundschaft über seinen Neffen zu erhalten, wurde im Film damit erklärt, dass dieser in Wahrheit der Sohn war, den Beethoven noch vor dem Tod seines Bruders mit dessen Frau gezeugt hatte. Die Mutter des Kindes wollte ihn jedoch von ihm fernhalten. Die Theorie war zwar nicht zu beweisen, doch zumindest erschien sie einigerma ßen glaubwürdig. Denn auch wenn nicht belegt war, ob die beiden eine Liebesbeziehung führten oder nicht, wusste man doch, dass Beethoven tatsächlich eine sehr intensive Hassliebe mit seiner Schwägerin Johanna Reiss verband. Der andere Film, Copying Beethoven, in dem Ed Harris den Komponisten spielt, ging sogar noch weiter: Dort wurde eine vollkommen fiktive Person in eine Phase von Beethovens Leben eingeführt, über die reichlich Information existiert, nämlich die Entstehungszeit der neunten Symphonie. In dem Film unterhielt eine gewisse Anna Holz, Kompositionsschülerin am Wiener Konservatorium, eine platonische Beziehung zu dem Komponisten und half ihm, Particell-Entwürfe oder Einzelstimmen für die verschiedenen Instrumente anzufertigen, damit die Musiker beim Konzert nicht die ganze Partitur auf den Notenständer stellen mussten.
    Bevor Otto Werner das Buch kaufte, bl ätterte er noch durch einige andere, die ebenfalls bei den Musikbiographien standen und die mehr oder weniger dasselbe Thema zum Inhalt hatten. In Das dunkle Geheimnis eines Genies zum Beispiel schrieb der Autor über Beethovens Beziehungen zu Prostituierten und zu den Frauen seiner Freunde. Zwar habe die Anzahl der amourösen Beziehungen Beethovens gegen Ende seines Lebens rapide abgenommen, las Werner, seine Libido jedoch nicht - weder durch das Alter noch infolge seiner zahlreichen und häufigen Unpässlichkeiten, die ihn mitunter tagelang ans Bett fesselten. Seinem Freund und Schüler Ferdinand Ries emp fahl er einmal vor einem geplanten Besuch bei ihm, gut auf seine Ehefrau aufzupassen, denn auch wenn ihn alle f ür einen alten Mann hielten, sei er doch in Wirklichkeit ein »alter Junge«. In seinen Konversationsheften - als die Taubheit sich rasant verschlimmerte, benutzte er sie, um sich anderen mitzuteilen - hatte Beethoven Einblicke in sein Privatleben gegeben, die wir niemals hätten, wäre sein Hörvermögen intakt gewesen.
    »Wohin sind Sie heute beim Haarmarkt auf den Str... gegangen?«, wurde er zum Beispiel von einem Gesprächspartner gefragt. Und Beethoven antwortete in haarsträubendem Latein »Culpam trans genitalium« - »Fleisches Schuld«.
    Doch er ging nicht nur zu den Wiener Dirnen. Um Beethoven ihre Reverenz zu erweisen, boten einige seiner Freunde ihm tats ächlich an, mit ihren Frauen zu schlafen. In der Beethoven-Biographie des Wissenschaftlers Maynard Solomon las Doktor Werner kopfschüttelnd, was Karl Peters, ein Freund Beethovens, ihm ins Konversationsheft geschrieben hatte: »Wollen Sie bey meiner Frau schlafen?« Und Solomon fügt hinzu: »Beethovens Antwort hat sich nicht erhalten, aber sie muss wohl positiv gewesen sein, denn Peters schrieb, er werde jetzt meine Frau abholen .«
    Doktor Werner griff zu einer weiteren Biographie, Das Sublimations-Genie, in der es hie ß, Beethoven sei als Jungfrau gestorben und all seine sexuelle Energie sei in die Musik geflossen. Kein Wunder, denn der Musiker sei unattraktiv gewesen - von kleiner Statur und mit einem von Pusteln übersäten Gesicht. Außerdem hatte er immerzu Wattepfropfen in den Ohren, vollgesogen mit einer gelben Flüssigkeit, und seine Haare fielen ihm als schwarze, zot telige M ähne ins Gesicht. In noch einem anderen Buch wurde behauptet, Beethoven sei homosexuell gewesen und verliebt in seinen Neffen ...
    Als Werner endlich zur Kasse ging, um das Buch über Beethovens Frauen zu bezahlen, sah er Jake Malinak in der Hörbuchabteilung stehen. Er ging auf ihn zu, und noch bevor er ihn ansprach, sah er, dass dieser dasselbe Buch in der Hand hielt wie er selbst, nur als CD. »Otto«, rief Malinak, »bist du es?«
    Dass der Blinde seine Anwesenheit

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