Die 10. Symphonie
und Unterarme waren Metallfesseln angebracht, verbunden mit einem Schraubgewinde, mit dessen Hilfe man die Gliedmaßen des Beschuldigten so gegen die Metallspitzen pressen konnte, dass diese das Fleisch durchbohrten. In der ebenfalls mit einfachen Eisennägeln übersäten Sitzfläche waren einige Löcher, durch die man dem Opfer mit glühenden Kohlen schwere Verbrennungen zufügen konnte - so dosiert, dass es nicht das Bewusstsein verlor.
»Wie Sie sehen, sind die Nägel nicht besonders spitz, dennoch ist dieses gute Stück ein sehr effizientes Modell. Sie erlauben?«
Marañón schob Daniel beiseite und setzte sich zu dessen Überraschung auf das Folterinstrument. Er zeigte keinerlei Anzeichen von Schmerz oder Unbehagen. Er schob Arme und Beine in die Fesseln und sprach weiter, als ob er sich auf einen Barhocker gesetzt hätte.
»Es sind nicht so sehr die Nägel, die dem Beschuldigten die Schmerzen zufügen, als vielmehr die Aussicht, dass es stetig schlimmer wird. Das Wissen darum, dass die Qualen unendlich viel größer werden, je mehr die Arme und Beine gegen diesen Teppich aus Nägeln gequetscht werden, ist um einiges wirkungsvoller als die eigentliche physische Gewalt. Keine Folter ist grausamer als die der eigenen Vorstellungskraft. Dennoch würde mich interessieren, bis zu welchem Punkt man die Fesseln zusammenschrauben konnte. Wären Sie bitte so freundlich?« Marañón, dessen Arme und Beine unter den Metallbügeln fixiert waren, deutete mit dem Kopf in Richtung des Gewindes, das sich an einer Seite des Stuhls befand. Als er sah, dass Daniel zögerte, lachte er auf. »Kommen Sie schon, nur einmal drehen. Sie können mir unmöglich mit nur einer Umdrehung weh tun, sehen Sie doch, wie viel Platz hier ist.«
Daniel stellte fest, dass tats ächlich noch viel Raum zwischen Marañóns Gliedmaßen und dem Nagelteppich war, und beschloss widerstrebend, dem Millionär diese Grille nicht zu verweigern. Als er die Zwinge drehte, hallte das Kreischen des verrosteten Räderwerks von den Steinwänden wider wie die Scharniere eines uralten Verliesgitters. »Noch etwas fester«, bat Marañón.
»Ich denke, das genügt. Außerdem muss ich mich jetzt auf den Weg machen. In einer halben Stunde fängt das nächste Seminar an.«
Marañón hatte den Kopf zurückgelehnt und genießerisch die Augen geschlossen, als würde ihn dieses Höllending in seinen Armen wiegen. Dann öffnete er plötzlich die Augen und sagte lächelnd: »Ich lasse Sie hinausbringen, warten Sie. Jaime!«
Der Sekret är folgte wie ein gehorsamer Hund und drehte an dem Gewinde, um Marañón zu befreien. Als dieser jedoch bemerkte, dass der Druck der Bügel nachließ, befahl er eisig: »In die andere Richtung.«
Sein Assistent z ögerte einen Augenblick, doch dann fackelte er nicht lange und quetschte die Gliedmaßen des »Beschuldigten« ein. Jede Umdrehung des Räderwerks, das sichtbar rostig war, erzeugte ein unangenehmes metallisches Jaulen, als litte der Stuhl selbst Qualen, und nicht etwa der Insasse. Marañón hatte den Kopf wieder zurückgelegt. Sein Gesicht zeigte nicht die geringste Regung, weder Lust noch Schmerz. Dann kam der Moment, in dem der alte Mechanismus streikte und der Sekretär nicht weiterdrehen konnte. Marañón erklärte das Experiment für beendet und wandte sich Daniel zu. Eigentlich waren seine Worte an den Sekretär gerichtet, doch er ließ sich nicht dazu herab, ihn anzuschauen.
»Man muss den kompletten Mechanismus einmal einfetten. In Ordnung, Jaime, du kannst mich jetzt befreien.« Nach drei Umdrehungen konnte Marañón Arme und Beine wieder bewegen. Nur Daniel bemerkte den Blutstropfen, der über die Armlehne lief und leise auf den Boden rann. Dort hinterließ er einen Fleck, dunkel wie die Stellen, an denen der Moder die Kellerwände anfraß.
28
Nachdem die Polizei weg war, verlie ß Otto Werner seine Büros in der Spanischen Hofreitschule, um sich ein Buch zu kaufen, das er gerade im Internet entdeckt hatte: Beethovens Frauen. Er wollte unbedingt wissen, wer sich, in der Absicht, irgendein geheimnisvolles Objekt zu stehlen, unerlaubt in seine Räume geschlichen hatte. Und natürlich, an welche der unzähligen Geliebten des Komponisten der Brief gerichtet war, der unter dem Dielenboden der Schule gelegen hatte. Ersteres war Aufgabe der Polizei, aber das Zweite konnte er möglicherweise selbst enträtseln, indem er alles über die Liebesbeziehungen, die Beethoven im Laufe seines Lebens gehabt hatte,
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