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Die 101 wichtigsten Fragen: Deutsche Literatur

Titel: Die 101 wichtigsten Fragen: Deutsche Literatur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Jahraus
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doch noch zu vermitteln. Und genau damit schafft er ein Beispiel von Literatur, die gerade das Unvermittelbare vermitteln kann. Das ist so neu, dass es die Vorstellung von Literatur nachhaltig verändert. Insofern beginnt mit
Werther
wirklich eine neue deutsche Literatur.
    2. Womit beginnt die deutsche Literatur? Als ab dem Jahr 1997 die Buchreihe zu dem jugendlichen Zauberer Harry Potter erscheint, kann man eigentümliche Beobachtungen machen, die so gar nicht zum kulturpessimistischen Bild einer illiteraten Jugend passen wollen. Die Reihe wird schnell zum größten Bucherfolg des endenden 20. und beginnenden 21. Jahrhunderts. Aber was hat dies mit dem Beginn der deutschen Literatur zu tun? Nun, es scheint so, als ob sich mit dem modernen Medienphänomen des Zauberns ein Bogen zurückschlagen ließe zu den allerersten Texten, die in deutscher Sprache überhaupt erhalten sind und aus denen so etwas wie die Literatur und ihr Wirkpotenzial, das sie bis heute ungebrochen besitzt, hervorgehen. Denn die deutsche Literatur beginnt – mit Zaubersprüchen.
    Dass diese Zaubersprüche überhaupt auffindbar waren, liegt daran, dass sie aufgeschrieben wurden. Wie lange sie schon vor dem schriftlichen Beginn in Gebrauch waren, lässt sich nicht sagen. Man kann annehmen, dass sie vielleicht um 750 herum entstanden sind. Erhalten geblieben sind uns die beiden Merseburger Zaubersprüche, so genannt, weil sie in der Bibliothek des Domkapitels in Merseburg seit dem 11. Jahrhundert aufbewahrt und dort 1841 aufgefunden wurden.
    Vermutlich im 10. Jahrhundert hat jemand begonnen, Zaubersprüche aufzuschreiben. Wir können nur spekulieren, warum er (und es ist hochwahrscheinlich, dass es ein Mann und zudem ein Mönch war) das getan hat. Die Zaubersprüche wurden ja zu einer Zeit schriftlich festgehalten, in der ihr Status als Zauberspruch schon fragwürdig geworden war. Die Zaubersprüche passen nicht mehr so recht zu einem christlichen Weltbild. Sie wechseln das Medium und das Weltbild. Sie wandern vom Mündlichen ins Schriftliche und sie treten in eine christliche Welt ein, in der der Zauber nicht mehr gilt. Sie verlieren das, was sie ausmacht, und gewinnen etwas Neues hinzu: Sie werden in einen Traditionszusammenhang eingeordnet, der sich noch heute durch unsere Literaturgeschichten zieht, kurz gesagt: sie werden zu den ersten Texten der deutschen Literatur. Und kann nicht auch Literatur – zauberhaft – eigene Wirklichkeiten schaffen?

Vom Mittelalter zur Frühen Neuzeit

3. Wann gab es noch richtige Helden in der Literatur? Der Begriff des Helden ist in der heutigen Literatur, wenn überhaupt, nur noch in seiner negativen Variante zu haben: der Antiheld. Und so fragt man sich, ob es überhaupt je Helden gegeben hat. Tatsächlich gibt es in der frühesten Phase der deutschen Literatur so etwas wie eine Heldendichtung oder Heldenepik – Erzählungen also, die in ganz besonderer Weise von Helden und Heldentaten erzählen.
    Die berühmtesten Heldensagen drehen sich um Dietrich von Bern, eine Zwittergestalt zwischen Sage und Geschichte. Gemeint ist damit Theoderich, der von ca. 471 bis 526 gelebt hat und seine Herrschaft über sein versprengtes Gotenreich in Verona errichtet hat, das in der Sage als Bern (nicht mit der Schweizer Hauptstadt zu verwechseln) bezeichnet wird. Erhalten geblieben ist uns aus diesem Sagenkreis unter anderem das
Hildebrandslied
, das ungefähr aus dem Beginn des 9. Jahrhunderts stammen dürfte. Was überliefert ist, besteht aus 68 Zeilen, die vermutlich um 830 auf den Deckblättern einer theologischen Schrift abgeschrieben wurden. Hildebrand ist der Waffenmeister von Dietrich von Bern, er hat einen Sohn, Hadubrand. Eines Tages stehen sich Hildebrand und Hadubrand mit ihren Heeren gegenüber, ohne dass sie sich wechselseitig erkennen. Es droht ein kriegerischer Konflikt zwischen zwei Heeren und zwischen Vater und Sohn. Hadubrand gibt sich zu erkennen, auch als Hildebrands Sohn, und rühmt den Vater, den er tot glaubt. Der Vater gibt sich daraufhin seinem Sohn zu erkennen, will ihn auch beschenken, doch der Sohn lehnt ab, weil er in Hildebrand nicht den Vater erkennt, sondern einen hinterlistigen Hunnen vermutet. Im vollen Bewusstsein, dass nun der Vater den Sohn oder der Sohn den Vater töten wird, kommt es zum Kampf. Das Ende ist nicht überliefert, aber aus anderen Quellen erfährt man, dass der Vater den Sohn erschlägt.
    Warum musste es so weit kommen? Die Doppelperspektive zwischen Geschichte und

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