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Die 101 wichtigsten Fragen - die Bibel

Die 101 wichtigsten Fragen - die Bibel

Titel: Die 101 wichtigsten Fragen - die Bibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Lang
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sie es gegen das andere Kind aus. Doch die Mutter des lebenden Kindes bemerkt den Betrug. Nun streiten sich die beiden um den Knaben. Der Fall kommt vor den Herrscher. Dieser lässt ein Schwert holen. Jede der Frauen soll eine Hälfte des Knaben bekommen. Erschrocken lenkt eine der beiden Frauen ein: Die andere soll das Kind haben, wenn es nur am Leben bleibt. Am Mitleid erkennt Salomo, wer die richtige Mutter ist, die nun ihr Kind zurückbekommt (1 Könige 3,16–28).
    Diese Legende ist in vielen Ländern bekannt; hier wird sie von dem einen, dort von dem anderen Herrscher oder weisen Richter berichtet, besonders häufig in Indien. Dort sind es nicht zwei Dirnen, sondern zwei rivalisierende Frauen desselben Mannes; jede will mit ihrem Kind die Gunst des Mannes und zugleich die Stellung als Herrin und Erbin des Hauses erringen. Da diese Begründung für den Streit besser ist als die in der Bibel gebotene, wird man den Ursprung der Erzählung in Indien suchen. In nachbiblischer Zeit hat die Erzählung, durch Ägypten oder die Bibel vermittelt, auch Italien erreicht
(Abb. 17).
Heute ist sie auch aus Bertolt Brechts Theaterstück
Der kaukasische Kreidekreis
bekannt.
    87. Wer redet eigentlich, wenn Gott redet? Jahwe, der Gott Israels, wird oft als redender Gott dargestellt; was er sagt, wird Wort für Wort mitgeteilt. Drei Szenen der Mose-Erzählung sind dafür kennzeichnend: (1) Als Mose die Schafe seines Schwiegervaters hütet, wird er auf einen brennenden Dornbusch aufmerksam; er nähert sich ihm undhört die Stimme Gottes, die zu ihm aus dem Feuer spricht und ihn beauftragt, die Israeliten aus Ägypten zu führen (Exodus 3). (2) Am Berg Sinai angelangt, werden die aus Ägypten befreiten Israeliten Zeugen eines überwältigenden Geschehens. Der Berg hüllt sich in Rauch, es donnert und blitzt, Mose redet, und Gott antwortet im Donner. Alle hören, was Gott sagt: «Ich bin Jahwe, dein Gott, der dich aus Ägypten geführt hat, aus dem Sklavenhaus. Du sollst neben mir keine anderen Götter haben.» Es folgen dann aus dem Mund Gottes die Zehn Gebote (Exodus 19–20). (3) Weitere Gebote erhält Mose ohne Zeugen, als er den Berg Gottes besteigt, um dort mit Gott allein zu reden. Später wird außerhalb des Lagers der Israeliten ein geheimnisvolles Zelt gebaut; dorthin begibt sich Mose, um mit Gott zu reden, «Auge in Auge, wie Menschen miteinander reden» (Exodus 33,11; ebenso Numeri 12). Dem Leser drängt sich die Frage auf, wer eigentlich redet, wenn Gott redet. Mehrere Theorien wurden darüber aufgestellt:
    Wundertheorie:
Gott selbst redet. In der Wüste hat Gott ein Wunder geschehen lassen, nämlich das einer unmittelbaren, an Mose und das Volk ergehenden Wortoffenbarung. Während Gott sonst weder sichtbar noch hörbar ist, sind hier die Regeln anders. Das ist die traditionelle, bis in die Neuzeit von Theologen vertretene Auffassung.
    Betrugstheorie:
Es gibt keinen Gott; daraus folgt: Mose redet – und täuscht seine Zeitgenossen. Diese Sicht propagierte im 18. Jahrhundert eine anonyme Schrift mit dem Titel
Von den drei Betrügern
(gemeint sind Mose, Jesus und Mohammed).
    Übertreibungstheorie:
Mose hört eine innere Stimme, die er als Gottes Stimme versteht – so beispielsweise in Thomas Manns Erzählung
Das Gesetz
(1944). Es liegt ein kleines, wenig spektakuläres Wunder vor. Überwältigt von typisch orientalischer, zu Übertreibung und Ausmalung neigender Phantasie, schmückt der biblische Erzähler den Vorgang aus. In der Bibel selbst wird die Übertreibung wieder ein Stück zurückgenommen: Mose habe nicht Gottes Antlitz gesehen, sondern nur dessen «Rücken» (Exodus 33,20–23).
    Fiktionstheorie:
Das ist die heute übliche Auffassung der Bibelwissenschaft. Demnach haben jüdische Gelehrte der Perserzeit (im 5. oder 4. Jahrhundert v. Chr.) die Erzählung von der mosaischen Offenbarung ersonnen. Eine solche Geschichte konnte nur erdacht werden, weil in Israel wörtliches Reden Gottes aus dem Mund der Propheten bekannt war. Doch haben die Erzähler gegenüber den Propheten mehrere Neuerungen eingeführt: Während Gott durchdie Propheten zeit- und situationsbezogene Anweisungen gibt (zum Beispiel über Krieg und Frieden in einer bestimmten historischen Stunde), werden nun Weisungen gegeben, die für immer gelten sollen; während sich der Gott der Propheten nur zu wenigen Themen wie Krieg und Ausbeutung der armen Bauern äußert, erlässt Gott jetzt eine ganze Kult- und Lebensordnung; während der Prophet Gottes

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