Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die 101 wichtigsten Fragen - die Bibel

Die 101 wichtigsten Fragen - die Bibel

Titel: Die 101 wichtigsten Fragen - die Bibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Lang
Vom Netzwerk:
Stimme im Innern zu vernehmen glaubt, wird die Stimme Gottes nun als objektiv hörbar dargestellt.
    88. Kommt Jesus im Alten Testament vor? Diese Frage ist von vielen Lesern der Bibel bejaht worden; noch heute gibt es diese Meinung. Sie besagt: Nicht erst die Evangelien sprechen von Jesus; schon das Alte Testament biete ein prophetisches Porträt von ihm. Lässt sich diese Auffassung halten? Sehen wir uns jenen Textabschnitt an, der als das deutlichste «Jesus-Porträt» im Alten Testament gilt! Es handelt sich um die sogenannten Gottesknechtslieder im Jesajabuch (Jesaja 49–53). Sie entwerfen folgendes Bild: Der Prophet wird bereits vor seiner Geburt zu seinem Amt bestimmt. Sein frühes Leben verbringt er, von Gott geschützt, im Verborgenen. Für sein Amt wird er durch göttliche Offenbarung ausgerüstet. Er soll das Volk Israel zu Gott zurückzuführen; doch für fremde Völker hat er ebenfalls eine Bedeutung. Er erfährt Widerspruch, doch er hofft auf göttlichen Beistand. Der Widerstand gegen ihn nimmt zu, führt zu tätlichen Angriffen auf ihn, zuletzt zu seinem gewaltsamen Tod. Dieser wird als Opfer gedeutet: Indem der Gottesknecht für die Sünden des Volkes Israel stirbt, löscht er dessen Schuld aus. Für seine Treue wird der Prophet von Gott erhöht, gemeint ist damit wohl: in den Himmel aufgenommen.
    Diese Gestalt hat keinen Namen. Warum? Die traditionelle Antwort lautet: Der Gottesknecht hat keinen Namen, weil hier Auftreten und Sterben Jesu angekündigt werden. Diese Deutung wird bereits in der Apostelgeschichte vertreten: Ein äthiopischer Hofbeamter, offenbar ein frommer Jude, reist von Jerusalem nach Äthiopien. Unterwegs begegnet er dem Apostel Philippus. Sie kommen ins Gespräch über das Buch Jesaja, in dem der Äthiopier gerade liest. Auf die Frage, was es mit jenem Mann auf sich habe, der «wie ein Schaf zur Schlachtbank geführt wird» (Jesaja 53,7), weiß Philippus eine klare Antwort: «Er begann, ihm von dieser Schriftstelle aus das Evangelium von Jesus zu verkünden» (Apostelgeschichte 8,26–39). Auchsonst finden sich Spuren dieser Interpretation im frühen Christentum. Am deutlichsten bei Justin dem Märtyrer in dessen
Dialog mit dem Juden Tryphon
(um 160): «Jeder, der die Worte des Propheten (Jesaja) kennt, wird, sobald er hört, Jesus sei gekreuzigt worden, sagen: Er, und kein anderer, ist der Christus (Messias)!»
    Heute werden die Gottesknechtslieder anders verstanden. Sie handeln von einem uns unbekannten Propheten des 6. Jahrhunderts. Als dieser ermordet wurde, haben seine Anhänger seinen Tod als Sühne für Israels Sünden verstanden. Auf der Suche nach Texten des Alten Testaments, die Jesu Übereinstimmung mit der jüdischen Überlieferung beweisen sollten, stießen frühe Christen auf die Gottesknechtslieder. In ihnen fanden sie eine Prophetie. Die Gottesknechtslieder können – aus heutiger Sicht – Jesu Bedeutung nicht beweisen, wohl aber dazu dienen, sie zu verdeutlichen. Im Geschick Jesu hat sich das Geschick des Gottesknechts wiederholt.
    89. Jesus hat das Reich Gottes angekündigt. Hat er sich geirrt? Ein großes Ereignis steht bevor, das gewaltigste der gesamten Geschichte der Menschheit: Gott wird kommen, um das Volk Israel aus seiner Knechtschaft – nämlich der politischen Unselbständigkeit – zu befreien und das Reich Gottes zu errichten. Diese Befreiung steht nahe bevor; man glaubte, in wenigen Jahren werde die Welt anders aussehen. Dann werde das Volk Israel im Zentrum der Welt stehen, vielleicht sogar alle anderen Völker beherrschen. Die erwartete große Wende wurde mit unterschiedlichen Zügen versehen. Man dachte an ein göttliches Gerichtsverfahren oder an einen Krieg, den ein von Gott gesandter messianischer König gegen die Völker, die Israel unterdrücken, siegreich führen wird.
    Die frühen Christen teilten diese im Judentum ihrer Zeit verbreitete Erwartung, verliehen ihr jedoch einen eigentümlichen Zug: Die entscheidende Gestalt in diesem Geschehen – der Richter oder Heerführer – werde der vom Himmel auf die Erde zurückkehrende Jesus Christus sein. Von Jesus wird der Satz überliefert, es gebe Menschen, die das Ereignis noch erleben werden (Markus 9,1). Paulus war derselben Meinung (1 Korinther 15,51).
    Die erwartete große Wende blieb jedoch aus. In der vermutlich spätesten Schrift des Neuen Testaments, dem 2. Petrusbrief (ca. 140/180 n. Chr.), erfahren wir von Spöttern, welche die freche Frage stellen: Was ist nun mit der Wiederkunft

Weitere Kostenlose Bücher