Die 101 wichtigsten Fragen - die Bibel
alle christlichen Theologen haben ihn bis in die Neuzeit unterstützt.
Gelöste und ungelöste Rätsel
83. Hat die Sintflut wirklich stattgefunden? Nach der biblischen Erzählung (Genesis 6–9) baute Noach (Noah), ein Mann der frühen Menschheit, ein Schiff, die «Arche». In diesem Schiff habe er zusammen mit seiner Familie und vielen Tieren eine die ganze Welt heimsuchende Flutkatastrophe, die Sintflut, überstanden. Noach ist keine historische Gestalt; von ihm erzählt ein Mythos. Derselbe Mythos wird auch im babylonischen Gilgamesch-Epos erzählt, wo der Sintflutheld Ut-Napischti heißt und wie Noach aus seinem Schiff Vögel aussendet, um zu erkunden, ob sie Land erspähen und nicht zum Schiff zurückkommen. Doch wie steht es mit der Flut? Hat es eine weltweite Überschwemmung der Erde wirklich gegeben, eine Katastrophe, der alle Menschen zum Opfer fielen außer jenen, die in der Arche überlebten? Auf diese Frage geben Naturforscher und Mythenforscher bis heute unterschiedliche Antworten.
Viel Aufsehen hat das Buch
Sintflut: Ein Rätsel wird entschlüsselt
(2001) der amerikanischen Geologen William Ryan und Walter Pitman erregt: Die biblische Erzählung könnte auf einer gewaltigen Katastrophe des 7. Jahrtausends v. Chr. beruhen. Damals sollen in kurzer Zeit gewaltige Wassermassen aus dem Mittelmeer in eine von Menschen besiedelte Tiefebene eingebrochen sein. An die Stelle der Tiefebene ist das Schwarze Meer getreten.
Mythenforscher haben Ryan und Pitman widersprochen. Der Flutmythos müsse älter sein als das 7. Jahrtausend; schon die Sorge um die Rettung der Tiere spreche für eine sehr alte Zeit, in der es noch keinen Ackerbau gab und menschliches Leben auf Jagdtiere angewiesen war. Nach Michael Witzel geht die Fluterzählung auf eine uralte Volkserzählung zurück. Als unsere Vorfahren um 65.000 v. Chr. ihre afrikanische Heimat verließen, um sich über die Welt zu zerstreuen, hätten sie bereits einen Flutmythos gekannt. Um 40.000 v. Chr. sei die Flut zu einer Episode in der Erzählung von der Weltentstehung geworden, die man als den «ältesten Roman der Menschheit» bezeichnen mag. Dieser sei in alle Kontinente getragen worden – von Vorderasien nach Ostasien und in alle Teile von Amerika (E.J. Michael Witzel,
The Origins of the World’s Mythologies
, 2012).
So stehen sich verschiedene Meinungen gegenüber. Die Frage, ob die Sintflut wirklich stattgefunden hat, ist bis heute nicht endgültig beantwortet.
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Der Tanz um das Goldene Kalb.
Im Reigen tanzen die Israeliten um das Stierbild, das auf einer hohen Säule steht. In biblischer Zeit tanzte man nicht um das Kultbild herum, sondern vor dem Bild. Sprichwörtlich geworden ist der «Tanz um das Goldene Kalb». Anders als es das Sprichwort will, sagt der Bibeltext nicht, der Tanz erfolge als Reigen um das Kultbild. Diese Vorstellung stammt vom Brauch des Tanzes um den Maibaum, der seit dem Mittelalter für weite Teile Westeuropas belegt ist und dessen Geschichte weit zurückreicht; bereits ein antikes Tonmodell aus Zypern (rechts) zeigt drei Frauen, die um einen heiligen Baum tanzen. – Holzschnitt aus der Weltchronik von Hartmann Schedel, 1493; Tonmodell aus Kythrea, ca. 600/300 v. Chr.
84. Warum tanzte Mose nicht um das Goldene Kalb? Die Erzählung vom Goldenen Kalb (Exodus 32) ist eine Episode aus der Geschichte von Israels Aufenthalt in der Wüste. Mose wird vierzig Tage lang auf dem Berg Sinai von Gott über die religiösen Gebote und Verbote belehrt. Während dieser Zeit wird im Lager der Israeliten Kritik an der neu verordneten Bildlosigkeit Gottes laut. Vom Volk gedrängt, lässt der Priester Aaron das goldene Bildwerk eines Stieres herstellen. Nun hat das Volk, was es will: Eine bildliche Darstellung seines Gottes in Gestalt eines jungen, kräftigen Stiers. Gefeiert wird dieses Goldene Kalb in einem ausgelassenen Fest
(Abb. 16)
. Als Mose zurückkehrt, hört er den fröhlichen Lärm und sieht die Tänze. Im Zorn vernichtet er den goldenen Stier und lässt jene, die sein Gottesgesetz auch weiterhin nicht bedingungslos annehmen wollen, voneiner priesterlichen Miliz niedermetzeln. 3000 Menschen müssen auf diese Weise ihr Leben lassen.
Aber warum tanzte Mose nicht mit? Die von der modernen Forschung gegebene Antwort lautet: Der Erzählung liegt die Auseinandersetzung zwischen zwei Religionsparteien im Alten Israel zugrunde. Die Mose-Partei setzte sich für die Bildlosigkeit des Jahwekults ein, die Aaron-Partei dagegen verehrte Jahwe in
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