Die 101 wichtigsten Fragen - Rassismus
zur Debatte. Dabei wäre es gewiss angeraten, sich stärker mit diesen Persönlichkeiten zu beschäftigen. Denn sie vertreten insgesamt eine politische, philosophische, juristische und religiöse Vielstimmigkeit, die zu den üblichen eindimensionalen Islambildern in Deutschland nicht passt.
Diese Frage lässt sich also nicht wirklich beantworten, aber sielässt sich auch längst nicht mehr so beantworten, wie es noch vor einigen Jahren üblich war (und auch damals schon so nicht stimmte).
101. Gibt es eine Welt ohne Rassismus? Rassismus gehört zu den folgenschwersten historischen Hypotheken, mit denen sich die Welt auch im 21. Jahrhundert auseinanderzusetzen hat. Es handelt sich nicht einfach nur um ein passives Nicht-Wissen, mit dem Rassismus auf die eine oder andere Weise weggeredet wird. Vielmehr ist das Nicht-Wahrnehmen von Rassismus ein aktiver Prozess des Verleugnens, der durch das
weiße
Privileg, sich mit Rassismus nicht auseinandersetzen zu
müssen,
gleichermaßen ermöglicht wie abgesichert wird.
Rassismus ist wie alles, was der Mensch erfunden hat, vergänglich. Er wird aber nicht von alleine verschwinden. Die vermeintliche Abkürzung, nicht über Rassismus zu sprechen, führt nicht zum Ziel. Welcher Weg aber führt in eine Welt ohne Rassismus? «Dieser Weg wird kein leichter sein, dieser Weg ist steinig und schwer, nicht mit vielen wirst du dir einig sein», singt Xavier Naidoo. Sein Vater ist in Sri Lanka (damals noch Ceylon), seine Mutter in Südafrika mit arabischer Herkunft geboren. Naidoo erblickte in Mannheim das Licht der Welt und wurde römisch-katholisch getauft. Das Multitalent engagiert sich seit langem gegen Rassismus und womöglich singt er auch über jenen Weg, der zur Überwindung des Rassismus beschritten werden muss.
Dabei geht es weder um persönliches Wollen noch um eine Schuldzuweisung. Rassismus ist ein kollektives Erbe. Wer Rassismus in die Schranken weisen und aus der Welt schaffen möchte, muss zunächst lernen, was der Rassismus mit uns allen, mit der ganzen Welt und mit jedem Einzelnen angerichtet hat. In einem zweiten Schritt wird es darum gehen, feste Glaubensgrundsätze aufzugeben (auch den, schon immer antirassistisch gewesen zu sein), bereits Gelebtes selbstkritisch zu überprüfen (auch wenn es noch so gut und antirassistisch gemeint war) und Gelerntes zu verlernen (auch wenn es noch so unschuldig aussieht). In allem, was wir wissen, steckt ein Stück rassistische Wissensgeschichte. Egal, ob wir
Pippi Langstrumpf
oder die
Bibel
lesen,
Amistad
oder
Herr der Ringe
sehen, Mozart oder Hip-Hop hören, immer befinden wir uns in einer Geschichte, die uns der Rassismus erzählt. Ja, meist hat er sie uns erzählt, bevor wir verstehen konnten, was Rassismus überhaupt ist. Rassismus als Geschöpfpolitischer und ökonomischer Interessen hat in Kunst, Literatur und Wissenschaft aktive Fürsprecher_innen gefunden. Ob Medien, Schulbücher oder Universitäten, Apotheken, Straßennamen oder Lebensmittel, Gesetze oder politische Reden, Rassismus hat sich überall eingenistet. Dies sind aber auch die Orte, von denen aus Rassismus in Sackgassen getrieben werden kann: neue Curricula oder lernwillige Lehrer_innen, geschulte Journalist_innen oder fragende Wissenschaftler_innen, wissbegierige Poliker_innen oder Theolog_innen – es gibt keinen Ort, an dem Rassismus nicht ausgemerzt werden müsste. Eine neue politische und gesellschaftliche Agenda aber setzt voraus, dass jene gehört werden und vor allem mitgestalten können, die vom Rassismus unterdrückt sind, egal wie sie sich diesem widersetzen.
Rassismus trägt viele Gewänder. Wie ein Chamäleon passt er sich seiner Umgebung an, um zu überleben. Doch er ist nicht so genügsam wie ein Chamäleon. In Zeiten der Aggression geboren, hat Rassismus gelernt, in und durch Aggression zu überleben. Es wird für Weiße ein schmerzhafter, aber notwendiger Prozess sein, nicht (nur) Scham und Wut auf sich selbst zu empfinden, sondern Verantwortung zu übernehmen, für andere und für sich selbst. Weder Fatalismus noch Fanatismus sind dabei gute Wegbegleiter. Verantwortungsübernahme in Freiheit – das war schon immer die beste Lebenshaltung.
Literaturhinweise
Diese Liste enthält lediglich einige weiterführende Literaturhinweise. Die diesem Buch und meinen Forschungen zugrunde liegende Literatur würde als gedruckte Bibliographie selbst einen ansehnlichen Band ergeben. Das betone ich, weil nicht einmal alle zentralen Werke, die in diesem
Weitere Kostenlose Bücher