Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär

Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär

Titel: Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Moehrs
Vom Netzwerk:
einem Cafe und sang ihr romantische Regenwaldarien ins Ohr. Vielleicht waren es sein glutvoller Blick oder die vielen Rs, die in seiner Kehle rollten, jedenfalls war keine Atlantin vor ihm sicher, egal welcher Daseinsform. Er verabredete sich mit Zwerginnen, Gnominnen, Nattifftoffinnen, Mumen, Druidinnen und einmal sogar mit einem verlobten Yetimädchen, was ihm eine ordentliche Tracht Prügel von einer Bande Yetibrüder einbrachte.
    Aber nie währten diese Beziehungen länger als einen Tag, und immer war der Grund zur schnellen Trennung der gleiche.
    »Ga. Zu wenig Haare«, seufzte Chemluth jedesmal nur, wenn er von einem seiner Rendezvous zurückkam. Er träumte von einem Mädchen, das mehr Haare hatte als alle anderen. Kein alltäglicher Wunschtraum, aber das war nun mal sein Ideal. Und selbst in einer Stadt wie Atlantis, in der die Behaarung mancher Lebewesen selbst die von Bären übertraf, konnte er seine Traumkandidatin nicht finden.
    Wir konnten uns mittlerweile eine kleine gemeinsame Wohnung in Lisnatat-Ost leisten, zwei Zimmer, Küche und Toilette (die wir uns leider mit mehreren Blutschinken teilen mußten) auf dem Flur. Wir lebten in einem der babylonischen Schraubentürme, von denen es in Atlantis fünf Stück gab. Es waren gigantische Hochhäuser in Form eines abgeschnittenen Kegels, an deren Außenseite sich eine gewaltige Treppe hochschraubte, wovon sie ihren Namen hatten. Die Türme waren alle halbfertig von den Babyloniern verlassen worden, das war nun mal die typische Bauweise der Babylonier und wahrscheinlich der Grund dafür, daß sie nie so recht im Immobiliengeschäft Fuß fassen konnten. Niemand hatte ihre Ruinen zu Ende gebaut, weil nichts darin den gesetzlichen Baubestimmungen entsprach, also wurden sie von der Stadtverwaltung zu extrem niedrigen Mieten vergeben, damit überhaupt jemand in ihnen wohnte und man nicht ein weiteres Gebäude den Kakertratten überließ. Ein anderer Grund für die erschwingliche Miete war die Außentreppe. Nur über sie konnte man seine Wohnung erreichen, und je höher diese lag, um so anstrengender war es natürlich - und um so niedriger waren auch die Mieten. Wir wohnten ganz oben. Stufe 24 802. Die Aussicht über Atlantis war umwerfend. Der Wind, der durch die unverglasten Fenster fegte, auch.
    Aber in milden Sommernächten saßen wir gerne draußen auf der Steintreppe und beobachteten die blauen Blitzentladüngen, die überall in den Straßen der Riesenstadt zuckten. Ganze Straßenzüge wurden für Sekunden zu Flüssen aus blauern Licht. Und wir saßen dort oben, wie Götter, die das alles erschaffen hatten.

    Das Leben in einem babylonischen Schraubenturm darf man sich getrost abenteuerlich vorstellen. Nur die verwegeneren und schwindelfreien unter den Bewohnern von Atlantis wagten es, in einer dieser Halbruinen zu leben, was schon die Nachbarschaft zu einem unkalkulierbaren Risiko machte. Hauptsächlich Höhlentrolle, Gebirgszwerge, Blutschinken und Yetis bevölkerten unseren Bau, lauter grobschlächtiges Volk mit wenig Sensibilität für den Nachbarn. Bei den südzamonischen Gebirgszwergen wurde grundsätzlich einmal pro Woche Hochzeit gefeiert, da sie ständig untereinander die Ehepartner wechselten, was natürlich jedesmal der Anlaß für ein rauschendes Fest war, zu dem die ganze Verwandtschaft eingeladen wurde und eine Blaskapelle Gebirgszwergenmusik aufspielte. Gebirgszwergenmusik wird auf Phnaguffen erzeugt, das sind alphornähnliche Blasinstrumente, auf denen obendrauf ein Schellenbaum montiert ist, auf den der Phnaguffspieler mit einer Eisenstange eindrischt, während er in das Phnaguff schreit. Die Phnaguffe waren so lang, daß man sie zum Fenster hinaus spielen mußte, was die Lärmbelästigung noch verstärkte, aber das fiel kaum ins Gewicht, weil es im ganzen Haus keine Türen gab. Die übrigen Hochzeitsgäste versuchten nach Leibeskräften, die Phnaguffmusik mit Verwünschungen zu überbrüllen, denn das war unter südzamonischen Gebirgszwergen die übliche Form, dem Brautpaar zu gratulieren.
    Beschweren machte wenig Sinn, es sei denn, man findet es sinnvoll, von einer Hundertschaft Gebirgszwergen vermö- belt und kopfüber aus dem zweihundertsten Stockwerk gehalten zu werden, bis man sich entschuldigt, so wie es Chemluth einmal geschehen ist, als er um sechs Uhr morgens eine Gebirgszwergenkapelle darum bat, wenigstens die Eisenstangen mit Handtüchern zu umwickeln.
    Die Blutschinken in der Nachbarwohnung gingen offenbar irgendwelchen

Weitere Kostenlose Bücher