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Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär

Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär

Titel: Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Moehrs
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Falscheres hätte ich in diesem Augenblick nicht machen können.
    Die Kakertratte gab ein Geräusch von sich, das eine Säge erzeugen würde, wenn sie schreien könnte. Hunderte von Kakertratten nahmen diesen Insektenschrei auf, flogen hoch und dann direkt auf mich zu.
    Ich sprang in das Loch, Keine zwei Meter tiefer kam ich mit den Füßen auf, es gab nur einen kleinen Stich über den Sprunggelenken. Über mir schloß sich das Loch in der Treppe wieder, knirschend schoben sich die Steinstufen zusammen. Eine Kakertratte schaffte es gerade noch, sich dazwischenzukommen, und bereute es im gleichen Augenblick, denn sie wurde von den Quadern sauber in zwei Hälften geteilt. Hier unten war es so finster wie in Nachtigallers Dunkelkammer.
    »Ihr seid in Sicherheit«, sagte eine Stimme, von der ich nicht einmal bestimmen konnte, ob sie männlich, weiblich oder dämonisch war. Sie klang wie eine Trompete, die sprechen kann.
    »Folgt einfach meiner Stimme, ich führe euch ins Freie. Hier ... hier ...«
    Das war das einzige, was die Stimme immer wieder sagte: »Hier ... hier«, während wir hinter ihr her durch die Dunkelheit stolperten.
    Ich weiß nicht mehr, wie oft ich mich dabei der Länge nach hingelegt habe, es war vollkommen finster, und an Hindernissen mangelte es nicht.
    Gelegendich schlängelte einer der blauen Blitze, der mich so erschreckt hatte, an einer Tunnelwand entlang, allerdings so schnell, daß es nicht reichte, unseren Begleiter zu identifizieren. Selbst in dem blauen Licht konnte ich nicht erkennen, wo er überhaupt war.
    Schließlich kamen wir in einen Tunnel, der wenigstens diffus beleuchtet war. Durch kleine Löcher in der Decke stocherten dünne Lichtfinger ins Dunkel.
    »Das ist ein Kanaldeckel«, quackte die Stimme. »Dort könnt ihr hinaus.«
    Obwohl wir jetzt ein wenig sehen konnten, war es mir immer noch nicht möglich, den Urheber der Stimme auszumachen. Er mußte direkt neben mir stehen, aber ich konnte nichts erkennen. Wir kletterten eine Eisenleiter hinauf, stemmten den Kanaldeckel hoch und stiegen ins Freie. Wir standen in einer dunklen Seitengasse, die auf eine große Straße führte, brummend von großstädtischem Leben. Die Stimme war verschwunden.
    »Das waren Unsichtbare Leute!« klärte Chemluth mich auf. »Unsichtbare Leute?«
    »Ga. Sind unsichtbar.«
    Chemluth und ich gingen schweigend nebeneinander her zur Ilstatna, der großen Geschäftsstraße. Wir wollten etwas zum Frühstücken auftreiben. Chemluth war ziemlich kleinlaut geworden, vielleicht war es ihm jetzt doch etwas peinlich, in was für eine Situation er mich gebracht hatte. Er legte sich auch mächtig ins Zeug, um ein paar Pyras zusammenzuschnorren und mich mit einem kleinen Frühstück in einer Wolpertinger-Schachschänke zu besänftigen. Die Wolpertinger saßen schon am frühen Morgen über ihren Schachbrettern und knurrten sich bei jedem Zug böse an.
    Nach den Ereignissen der letzten Nacht war mir klar, daß man ein Dach über dem Kopf brauchte, wenn man in dieser Stadt überleben wollte. Dafür benötigte man Geld, und um Geld zu bekommen, brauchte man einen Job. Ich war fest entschlossen, mir eine Beschäftigung zu suchen. Chemluth war davon gar nicht begeistert.
    »Arbeiten?« fragte er in angewidertem Tonfall. »Laß uns lieber auf die Straße gehen. Ich singe, du tanzt.«
    »Ich bin kein Tanzbär.«
    »Ga, ich weiß«, seufzte Chemluth.
    Es war kein Problem, Arbeit zu bekommen in Atlantis. In den ersten Wochen arbeiteten Chemluth und ich in einer Fellkämmerei. Dort wurden immer Haarpuler gesucht, die die Fellbüschel aus den Kämmen und Bürsten entfernten, diese nach verschiedenen Haartypen sortierten und an die Perückenmachereien lieferten. Wir waren Tag und Nacht damit beschäftigt, Trollhaare aus den Bürsten zu pfriemeln, fein säuberlich zu sortieren und in Tüten zu packen. Es war nicht gerade angenehm, das oft fettige und ranzige Haar von ehemaligen Höhlenbewohnern aus einem Kamm zu fummeln, besonders wenn einen dabei die Läuse in die Finger bissen.
    Wir wechselten bald zu einer der Spuckhallen, die rund um die Uhr Kehrer beschäftigten, die den ekligen Mischmasch von Spucke und Sägespänen zusammenfegten und frische Späne ausstreuten. Das war leichte Arbeit, aber keine besonders hygienische Angelegenheit. Man mußte ständig aufpassen, nicht in eine Spuckebahn zu geraten, und das war nicht einfach, denn die Gäste liebten es, auf die Kehrer zu zielen. Als nächstes verdingten wir uns in einer

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