Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär
wie man verlorene Eier in Rotwein wachsweich pochiert, wie man ein Schnitzel plättet (mit der flachen Seite eines großen Messers, nie mit einem Fleischklopfer!), welcher Käse am besten zur Rauke paßt (südzamonischer Gralsund-Pecorino) und wie man ein Hähnchen ißt (ausschließlich mit den Fingern). Zakob gab nicht nur ununterbrochen Rezepte preis, sondern auch die passende Antwort auf die entlegensten Fragen der Ernährungskunde. Er war ein wandelndes Gourmetlexikon, er kannte die Kalorienzahl jedes existierenden Lebensmittels auswendig und auch die von allen nicht mehr existierenden, denn Zakob war in seiner Freizeit Ernährungshistoriker. Er kannte jedes Lebensmittel der zamonischen Vergangenheit, Pflanzen und Gewürze, die dem Aussterben anheimgefallen waren. So gab es früher ein Gewürz namens Pelverin, das jedes Lebensmittel in eine Köstlichkeit verwandeln konnte. Es wurde aus der Sinisterpelve gewonnen, eine Pflanze, die von den Blutschinken ausgerottet wurde, weil sie glaubten, darin hause der Satan. Zakob erzählte mir von Pflanzen, die in ihrem Innern Yoghurt produzieren, von den legendären Riesenerdbeeren von Dull, die angeblich groß wie ein Haus werden konnten, und von Yamslalimms, Eiern aus Torf, die aber nach gebackenen Bananen schmeckten.
Wirklich ins Schwärmen geriet er aber, wenn er von seinem Spezialgebiet, der Geschmackskombinatorik sprach. Zakob Yoa war der Auffassung, daß ein Menü so viele verschiedene Zutaten, Gänge, Gewürze und Kalorien wie möglich beinhalten sollte. Es war atemberaubend, mit welcher Kühnheit er Geschmäcker kombinierte. Ich sah ihn einen Fisch in Honig braten und einen gesalzenen Pfirsich fritieren, er füllte ein Huhn mit flüssiger Schokolade und wälzte Nudeln in Zimt, aber niemals beschwerte sich ein Gast, im Gegenteil, sie schrien vor Wollust das ganze Lokal zusammen. Je mehr unterschiedliche Lebensmittel eine Kreatur in ihrem Leben zu sich genommen hatte, desto sinnvoller war seine Existenz, das war Zakobs Philosophie.
Mitkochen durfte ich nicht, denn Chemluth und ich arbeiteten im Schichtdienst in der Pizza-Abteilung, in der ich es mittlerweile zum Chefbeleger gebracht hatte, denn ich war irgendwann auf den genialen Gedanken gekommen, eine bereits fertig belegte Hoawief-Pizza mit einer anderen, ebenfalls bereits fertig belegten Pizza zu belegen. Diese Doppelpizza wurde zu einem der Verkaufsschlager des Restaurants und führte zu meiner Beförderung zum Chefbeleger. Chemluth, mein Assistent, warf mir mit stolzer Eleganz die Oliven, Zwiebelringe, Salamischeiben, Sardellen, Pilze, Thunfisch- und Schinkenstücke zu, die ich dann kunstvoll auf den Pizzen arrangierte. Stets drückten sich ein paar Leute die Nase an unserer Schaufensterscheibe platt, um uns beim Arbeiten zuzusehen. Für Chemluth war es eine willkommene Gelegenheit, sich vor dem weiblichen Geschlecht zu produzieren und Verabredungen zu vereinbaren, besonders wenn es sich um Mädchen mit außergewöhnlich üppiger Haartracht handelte.
Zu Hause versuchten wir zwischen den Gebirgszwerghochzeiten etwas Schlaf zu bekommen. Manchmal brachte ich Chemluth etwas von meinem Nachtschulwissen bei, oder er zeigte mir ein paar Flamenkador-Griffe.
Nachts erzählte er oft heimwehkrank von den Tabakplantagen seiner Heimat. Während er schluchzend von der verschlungenen Schönheit der Lianen schwärmte, mußte ich an Qwert Zuiopü denken, der mir ähnlich bewegt von seiner Dimension erzählt hatte.
Das Beste an Atlantis war der Mittwoch. Die Wochenmitte wurde in Atlantis traditionell gefeiert, am Mittwoch legten alle die Arbeit nieder und feierten den Umstand, daß man die Hälfte der Woche bereits hinter sich hatte. Alle werktätigen Bewohner von Atlantis schliefen am Mittwoch lange, gingen in die Parks oder besuchten eines der kulturellen Ereignisse, von denen es in Atlantis mehr gab als in jeder anderen Stadt der damals bekannten Welt.
Ein Blick auf eine Zeitungsseite des ATLANTIS TAGESANZEIGER zeigte, was in so einer Stadt an einem durchschnittlichen Mittwoch los war (natürlich nur eine Auswahl):
SEMM SEGGLIU UND DIE NATTIFFTOFFEN, eine Musikformation aus West-Zamonien, markierte den wilden Mann im VERFEMTEN BUNKER, einer Art unterirdischem Tanzpalast unter einem der städtischen Seen. Es spielten natürlich keine echten Natifftoffen in der Band, dazu wären die sich viel zu fein gewesen, sondern lediglich als Nattifftoffen verkleidete Blutschinken, was schon gewagt genug war, denn die
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