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Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär

Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär

Titel: Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Moehrs
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Blutpfandleihe. In den Blutpfandleihen konnte man als Etikettierer arbeiten, die dafür sorgten, daß die zahlreichen unterschiedlichen Blutsorten nicht verwechselt wurden. Das war schon ein Schritt nach oben auf der Karriereleiter. Ich kam mir vor wie ein Verkäufer in einer Weinhandlung. Man mußte den Inhalt der einzelnen Blutkonserven auf das genaueste kennen, man mußte den Ursprung, die Blutgruppe sowie den Jahrgang des Spenders bestimmen können, man mußte wissen, ob es Trollblut war oder von Zwergen, von Mumen oder sonstwem stammte.
    Es gab grünes Blut von irischen Kobolden und weißes Blut von flämischen Wassergeistern, blaues Blut von adligen Nattifftoffen und gelbes Blut von Rikschadämonen und natürlich rotes Blut in allen möglichen Abstufungen von schwarzrotem Minotaurenblut bis hin zum durchsichtigen Rot der Fhernhachen - ein Rose sozusagen.
    Es war allerdings kein großes Vergnügen, den Werwölfen, die den Laden führten, bei der Arbeit zuzusehen. Wer sein Blut verkaufte, genoß kein besonders hohes Ansehen und wurde auch dementsprechend behandelt. Ich selbst hatte einmal, bevor ich in der Pfandleihe zu arbeiten anfing, Blut gespendet. Ich mußte mich auf einen rohen Holzstuhl setzen, während ein Werwolf die Transfusion vorbereitete. Dann beugte er sich zu mir herunter und fragte: »Mit oder ohne Betäubung?«
    »Mit, bitte«, antwortete ich.
    Das letzte, was ich sah, war seine Faust, die auf mich zugesegelt kam.
    Anschließend arbeiteten wir als Gruselschreier in einem Wachsfigurenkabinett. Wenn man sich vorstellt, daß ein Yeti oder ein Rikschadämon zum Alltagsbild von Atlantis zählten, kann man sich vielleicht ausmalen, was für gräßliche Phantasiewesen in einem Wachsfigurenkabinett aufgestellt werden mußten, um die Bewohner dieser Stadt in Angst und Schrecken zu versetzen. Unsere Aufgabe war es, uns hinter den Wachsfiguren zu verstecken und, wenn ein Besucher nicht gebührend verängstigt war, ihm mit einem markerschütternden Schrei das Blut in den Adern gefrieren zu lassen.
    Das war ein paar Tage ganz lustig, aber dann wurden wir immer heiserer. Außerdem war es nicht ganz ungefährlich. Nach der dritten Schlägerei mit einer Yetifamilie gaben wir auf.
    Es ist sicher leichter aufzuzählen, welche Berufe wir nicht ausprobiert haben, als die, in denen wir uns verdingten. Wir waren Straßenkehrer und Laternenkontrolleure, Handzettelverteiler und Friedhofsgärtner, Schachschänkenkellner und Hosenbügler, Laufkuriere und Nachtwächter, Plakatabkratzer und Reklameschreier, Zeitungsjungs und Fischsortierer, um nur einige zu nennen. Alles keine Tätigkeiten, für die man hohe Qualifikationen brauchte. Ich hätte gerne eine Arbeit verrichtet, wo ich meine umfassende Nachtschulbildung zur Entfaltung hätte bringen können, aber das war schwieriger, als ich dachte.
    Für eine Lehrstelle mußte man einen langjährigen Werdegang durch das komplizierte Bildungssystem von Atlantis absolvieren, und für fast jeden anspruchsvollen Beruf bedurfte es umständlicher Genehmigungen von geheimnisvollen Ämtern, nichts ging ohne einen Nattifftoffenstempel, den nur bekam, wer sich entweder monatelang in Warteschlangen einreihte, zünftige Bestechungsgelder zahlte oder einen Nattifftoffen in der Familie hatte. Überall kontrollierten undurchsichtige Verbände das Berufswesen - kurz: Auch auf dieser Ebene regierte in Atlantis das organisierte Chaos. Also begnügte ich mich mit diesen vorübergehenden Beschäftigungen, bis mir ein Beruf über den Weg laufen würde, der meinen Qualifikationen entsprach. Beleger in einer Hoawief-Pizzeria war der bisherige Höhepunkt meiner Karriere. Und Chemluth war mein Assistent.
    Chemluth Havanna war, das muß leider gesagt werden, ein ausgesprochener Schürzenjäger. Wann immer es die Zeit erlaubte, war er auf der Suche nach der passenden Lebensgefährtin. Allein in der Zeit, in der wir uns in den verschiedensten Hilfsarbeiten versuchten, hatte er siebenundsiebzig von mir mitgezählte Verabredungen mit Atlantisbewohnern weiblichen Geschlechts. Ich habe nie ganz begriffen, wie er das bewerkstelligte. Sehen wir der Sache ins Gesicht: Er war nun mal ein Zwerg, und Zwerge sind grundsätzlich klein. Er war auch nicht besonders schön mit seiner Kartoffelnase und den Krallenfüßen, aber er verfügte anscheinend über das gewisse Etwas. Er brauchte nur ein wildfremdes Mädchen mitten auf der Straße anzusprechen, und eine halbe Stunde später saß er händchenhaltend mit ihr in

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