Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär
als sie zur letzten Verabredung kam. Das war der eigentliche Grund für unsere Anwesenheit im Megather: Chemluth behauptete, die besten Voraussetzungen, seine Sorgen zu vergessen, seien ein Bier, ein Maiskolben und ein aufregendes Lügenduell.
Die Sache fing an, mir zu gefallen, bevor sie überhaupt losgegangen war. Das aufgeregte Geschnatter der vieltausendköpfigen Menge, die pathetische Phnaguffmusik, die von einem Bergzwergorchester im Orchestergraben erzeugt wurde, der Geruch der verbrannten Maiskolben, all das ergab eine Atmosphäre, die mich vom ersten Augenblick an in ihren Bann schlug. Aufgeregt rutschte ich auf meinem Sitz herum und fragte Chemluth alle fünf Minuten, wann es denn endlich losginge. Er selbst war wesentlich gelassener, weil er schon mehreren Lügenduellen beigewohnt hatte. »Dauert noch, ga. Sie quälen gerne das Publikum, um die Spannung zu erhöhen.«
Jetzt spielte das Bergzwergorchester eine Phnaguffversion der zamonischen Nationalhymne, bei der sich alle erhoben und mitsangen, die Blutschinken am lautesten:
»Zamonien, Zamonien, du Stern im Ozean, Beragt von Fels, durchquettt von Strom, Du bringst mir Pein, du bist mein Lohn, Du heißt mir Heimatland ...« und so weiter.
Nachdem das überstanden war, durften wir uns wieder setzen. Ein paar nattifftoffische Pantomimen kamen auf die Bühne des Megathers und gaben eine unsäglich langweilige Vorstellung, die die Geschichte der atlantischen Bürgermeister zum Inhalt hatte und von den vorderen Rängen begeistert beklatscht wurde.
Dann kam der Zeremonienmeister, der mit ehrfurchtgebietender Stimme die Kandidaten des Hauptkampfs ankündigte: Selbender Sinngh, ein indischer Derwisch, und Deng Po, ein ehemaliger Rikschadämon. Der Zeremonienmeister zählte umständlich die Siege und Niederlagen der Gladiatoren auf, ihr Körpergewicht, ihre Hobbys und Lieblingsschriftsteller, ihre Sternzeichen und Geburtsdaten. Dann sang er, ohne Begleitung und ohne jede erkennbare Musikalität, ein Lied auf Altzamonisch, eine Sprache, die kaum jemand der anwesenden Zuschauer beherrschte. Dies war ein Ritual, das jedesmal ungeduldiges Geraune und Gezische verursachte, aber es war jahrhundertealte Tradition. Endlich begannen die Vorkämpfe. Sie hatten, was Form und Klasse anging, nichts mit dem Hauptkampf zu tun. Sie dienten dazu, jungen aufstrebenden Gladiatoren Gelegenheit zu geben, sich vor größerem Publikum zu erproben, und dazu, die Stimmung anzuheizen. Jeweils zwei junge Frischlinge traten ins Rund der Bühne, standen unsicher herum und pflaumten sich gegenseitig an, auf ziemlich niedrigem Niveau.
Sie versuchten, sich schlecht konstruierte Lügengeschichten aufzubinden und sich gleichzeitig gegenseitig der Lüge zu bezichtigen, eine ziemlich unerquickliche Angelegenheit, die meistens in einem Dialog endete, der so oder ähnlich ablief:
»Ist gar nicht wahr!«
»Ist wohl wahr!« »Ist nicht wahr!« »Ist wohl wahr!« Und so weiter.
Ich war sehr enttäuscht. Nach dem ganzen Getue, das um die Lügengladiatoren gemacht wurde, war dies eine ausgesprochen erbärmliche Vorstellung. Mir tat das schöne Geld für die Eintrittskarten leid, dafür hätte ich eine Monatsration Honig kaufen können. Ich teilte Chemluth meinen Mißmut mit.
»Abwarten, ga!«, sagte Chemluth, »das gehört dazu. Sind Anfänger. Müssen üben.«
Endlich begann der Hauptkampf. Zwei große Thronsessel wurden in die Arena geschoben, die von oben bis unten vergoldet und mit kostbaren Kristallen intarsiert waren. Über dem hohen Rücken eines jeden Stuhls war ein riesiger Anzeiger befestigt, wie eine Uhr oder ein Tachometer. Die Stühle waren außerdem kompliziert verkabelt. Ein weiteres Gerät wurde auf die Bühne geschoben, eine große silberne Kiste, an deren Seiten sich zwei riesige stilisierte Ohren aus Gold befanden.
»Ist der Applausmesser. Je lauter der Applaus, um so mehr Punkte.«
Ich begriff, daß die Reaktion des Publikums eine wesentliche Rolle bei der Bewertung spielte. Der Applausmesser registrierte die Lautstärke des Beifalls und rechnete sie in Punkte für die Gladiatoren um.
Schließlich kamen die Duellanten auf die Bühne. Sie trugen die traditionellen Duellumhänge aus Samt, der Herausforderer einen blauen und der amtierende Lügenkönig einen roten. Die Zuschauer erhoben sich von ihren Sitzen, brummten und trommelten gleichzeitig mit ihren Fingern auf ihren Unterlippen, was ein vieltausendstimmiges »Brrrr« erzeugte. So erwies die Menge den Kämpfern ihre
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