Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär
Kochbücher (geschrieben von Zakob Yoa, es genügte, daß ich aß, wovon er schrieb) und ein Buch mit Tips für angehende Lü- gengladiatoren (jeder jugendliche Atlanter wollte Lügengladiator werden, also ein programmierter Bestseller). Außerdem veröffentlichte ich ein Werk über die moralischen Aspekte des Lügens, in dem ich das Lügen unter sportlichen Bedingungen pries, im persönlichen Umgang aber verdammte. Stilistisch orientierte ich mich dabei an der Biographie von Nussram Fhakir, und wenn ich ganz ehrlich sein soll, muß ich gestehen, daß ich manche Kapitel nahezu wortgetreu abgeschrieben habe. Alle diese Werke fanden reißenden Absatz. Manche Buchhandlungen in Atlantis rührten ausschließlich Bücher von mir.
Privat war ich immer mit den gleichen Leuten zusammen, natürlich war Chemluth immer dabei, aber auch Smeik und sein handverlesener Hofstaat, Rumo (wie der Leibwächter- Wolpertinger hieß), einige Yetis und neuerdings Lord Nelloz, der nun wieder nur der Stollentroll war. Er hatte sich bei Smeik eingewanzt, war sich für keine noch so entwürdigende Dienstleistung zu schade, er kochte Kaffee und holte Bier, hielt die Tür auf und den Schirm und gab immer und überall den Hofnarren. Er war so etwas wie Smeiks persönlicher Fußabtreter, selbst bei mir versuchte er ständig, sich beliebt zu machen. Mir war er völlig gleichgültig, ich hatte keine Rachegefühle mehr. Manchmal tat er mir sogar ein bißchen leid.
Bei unseren Gesprächen und Beschäftigungen ging es ausschließlich um das Gladiatorentum. Wir diskutierten meine eigenen Duelle und Nebenkämpfe, wir besuchten Trainingslager und Sparringskämpfe, ich unterhielt mich mit dem Nachwuchs und gab Ratschläge. Mit Chemluth besprach ich neue Taktiken oder hörte Smeik zu, der wie kein anderer von vergangenen Großduellen erzählen konnte. Ich konnte mir überhaupt nicht mehr vorstellen, daß es etwas außerhalb meines Berufes geben könnte.
Ich war ganz oben angekommen.
Ein Jahr ging ins Land. Fast sechzig Haupt- und über einhundert Nebenkämpfe hatte ich bestritten und keinen einzigen verloren.
Die Duelle waren so zur Routine geworden, daß ich jegliche Nervosität vor den Mittwochabenden abgelegt hatte. Ich informierte mich schon längst nicht mehr über meine Gegner, ich wollte nicht einmal mehr wissen, wer sie waren. Ich ging einfach auf die Bühne und besiegte sie, es war wie Händewaschen. Manchmal spielte ich absichtlich unter Form, um die Kämpfe etwas auszudehnen und spannender zu machen, aber tatsächlich war ich als Lügengladiator einfach unschlagbar.
Eine schwüle Glocke hatte sich seit Wochen über die Stadt gelegt, in die der warme Wind aus den Pyritbergen noch mehr Hitze und Feuchtigkeit blies. Alle Einwohner von Atlantis litten unter Kopfschmerzen und Gliederreißen, man nutzte jede Möglichkeit zum Ausruhen oder zur Abkühlung. Ich hatte mir angewöhnt, meine täglichen Interviews zu geben, während ich mich im Garten in einem meiner Schwimmtümpel auf einer Korkmatte treiben ließ. Von dort aus diktierte ich den Reportern meine Ansichten über das Wetter in die Blöcke:
»Meines Erachtens ist es viel zu heiß für diese Jahreszeit. Ein bißchen Abkühlung würde not tun. Auch die Luftfeuchtigkeit ist viel zu hoch. Ein kleines Gewitter wäre jetzt genau das richtige. Das sollten sich unsere nattifftoffischen Politiker ruhig einmal hinter ihre großen Horchlöffel schreiben.«
Ich hatte keine Ahnung, was das Wetter mit Politik zu tun hatte, aber ein paar abfällige Bemerkungen über Nattifftoffen und ihre Gehörwerkzeuge kamen beim Publikum immer gut an. Die Reporter kritzelten eifrig in ihre Notizzettel. Volzotan Smeik saß, wie meistens, in einem Liegestuhl und regelte von dort aus seine Geschäfte. Ständig wuselten seine Helfershelfer, der Stollentroll, Blutschinken oder andere Untergebene, herein und hinaus, brachten ihm Briefe und Zeitungen und tuschelten mit ihm. Mich kratzte das nicht, so ging es jeden Tag, ich wollte gar nicht genau wissen, was Smeik da trieb. Allein der Gedanke daran machte mich nervös. Also konzentrierte ich mich auf meine Öffentlichkeitsarbeit. Nur einmal horchte ich auf, als der unheimliche Wolpertinger hereinkam und Smeik etwas ins Ohr wisperte. Rumo konnte mich mit seinem kalten Blick immer noch aus der Fassung bringen. Smeik wurde sehr aufgeregt und verabschiedete sich hastig, weil er etwas Dringendes erledigen mußte. Das war nicht außergewöhnlich, Smeik hatte immer etwas Dringendes
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