Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär
unvermittelt den Arm hoch, daß das ganze Publikum beinahe geschlossen vom Stuhl fiel.
»DER VULKAN BRACH AUS!« schrie ich. »Und wir mitten drin!«
Eine Nattifftoffin in der ersten Reihe wurde ohnmächtig. Niemand kümmerte sich um sie.
»Die Maulwürfe und ich standen gemeinsam auf einem erkalteten Stopfen aus Lava, der nun vom Ausbruch des Vulkans nach oben getrieben wurde. Es war ... es war ...Wie soll man das Gefühl beschreiben, von einem Vulkan ausgespien zu werden?«
Ich überlegte.
»Es ist, als würde man von einer Kanone abgeschossen, die auf dem Rücken einer fliegenden Rakete steht. Der Druck, dem wir ausgesetzt waren, preßte uns alle auf den Stopfen. Wir wurden plattgedrückt wie Pfannkuchen, während die runde Öffnung aus Tageslicht immer schneller auf uns zu kam. Wir schössen mit dem Stopfen ins Freie, höher und immer höher, viele, viele Kilometer hoch.«
Kunstpause, ganz kurz.
»Dann gab es einen merkwürdigen Augenblick, als der Stopfen seinen höchsten Punkt erreicht hatte: Wir lösten uns von ihm und hingen für einen Augenblick wie schwerelos in der Luft. Wir waren jetzt so hoch, daß wir direkt in den Weltraum sehen konnten, ein Vergnügen, das ansonsten nur Riesenbolloggs vergönnt ist.«
Die Zuschauer wußten ja nicht, daß ich an der Traumorgel den Blick eines Bolloggs ins Weltall genießen durfte, daher waren sie auch mächtig beeindruckt von der detailreichen Beschreibung unseres Sonnensystems, die ich ihnen nun gab. Ich geizte auch nicht mit wissenschaftlichen Daten über die verschiedenen Planeten, ihre Oberflächenstruktur, ihre atmosphärischen Bedingungen, lauter Wissen, das ich in der Nachtschule erworben hatte. Etwa eine halbe Stunde quälte ich sie mit todlangweiligen astronomischen Einzelheiten, dann fuhr ich abrupt fort:
»Und dann stürzten wir ab.«
Einige Zuschauer mit schwachen Nerven verließen die Arena, hier und da entstanden kleine Tumulte, Riechfläschchen wurden herumgereicht.
»Die Maulwürfe jauchzten vor Vergnügen. Kein Wunder, sie waren ja blind und konnten nicht sehen, was ich sah: Die Erde, die rasend schnell auf uns zu kam. Beziehungsweise: wir auf sie.«
Die Nattifftoffen wackelten mit den Ohren, ein Zeichen extremer Erregung.
»Die Maulwürfe hatten die Arme ausgebreitet und sausten quiekend um mich herum wie ein Schwalbenschwanz. Es sah wirklich so aus, als könnten sie fliegen. Und jetzt kommt das Verblüffendste: Sie konnten tatsächlich fliegen.« Man staunte.
»Ja - jeder kann das. Sogar Sie. Ja, Sie!« Ich zeigte auf eine Zuschauerin, die mich mit offenem Mund anstarrte. »Um fliegen zu lernen, kommt es nur auf die Höhe an, aus der man abspringt. Ein Sprung von einem Haus reicht da nicht, auch nicht einer von einer Brücke oder aus einem Fesselballon. Nur der Schuß aus einem Vulkan bringt einen in die Höhe, die man braucht, um fliegen zu lernen. Das Problem war nur: Ich war erstarrt vor Angst. Ich hatte die Beine angezogen und die Arme eng um den Körper geschlungen und schoß wie eine Kugel auf die Erde zu. Die Maulwürfe konnten mir nicht helfen, denn sie sahen mich ja nicht. Um fliegen zu lernen, muß man die Arme ausbreiten.«
»Dann breite endlich die Arme aus, du Blödmann!« schrie ein aufgebrachter Blutschink aus der hintersten Reihe.
Ich hatte den Spannungsbogen beinahe überspannt. Jetzt mußte ich dem Publikum endlich geben, was es verdiente. »Ich breitete die Arme aus - und ich flog! Ich stürzte nicht mehr, sondern zog wie ein Adler majestätische, langsame Kreise, trudelte in einer weiten Spirale nach unten. Einige der Maulwürfe waren schon gelandet.
Unter mir lag Gralsund, die Stadt, für deren Bürgermeister ich die wichtige Nachricht zu überbringen hatte und in der meine Geliebte wohnte. Nein - ich landete nicht nur zart wie eine Feder in Gralsund, sondern genau auf dem Schoß meiner Geliebten, die im Garten saß und auf mich wartete.
Im Niedersinken griff ich in die Hosentasche und suchte nach dem güldenen Ring. Nanu? Ich war sicher, ihn dort verstaut zu haben. Aber da war kein Ring!«
Die Frauen im Stadion schrien entsetzt auf. »Hatte ich ihn etwa im Treibsand verloren? Oder im Vulkan? Während des Fluges? Die Möglichkeiten waren mannigfach. Panisch wühlte ich in dem Treibsand, der sich noch in meiner Hosentasche befand. Nichts. Kein Ring!«
Erste Taschentücher wurden benetzt. Schluchzen in der Menge.
»›Guck doch mal in der anderen Hosentasche nach‹, empfahl der Treibsand.
Ich griff in die
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