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Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär

Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär

Titel: Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Moehrs
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stürzten wir ins Freie. Luft! Endlich Sauerstoff!«
    Ja, endlich. Die Zuschauer holten tief Luft.
    »Was war geschehen?« rief ein aufgeregter Nattifftoffe.
    Ja, was war geschehen? Gute Frage. Was war geschehen? Ich hatte keine Ahnung.
    »Was war geschehen?« schrie ich dramatisch ins Publikum. »Was war geschehen?«
    Ich dachte fieberhaft nach.
    »Wir waren durch den Treibsand in eine unterirdische Höhle gelangt. Das war geschehen! Eine große Luftblase unter Unbiskant, in die wir gestürzt waren. Überall standen andere Maulwürfe und riefen durcheinander:
    ›Dies ist der Platz! Das ist die Zeit. Dies ist der Platz! Das ist die Zeit!«
    Erst einmal aus dem Gröbsten raus, log ich dreist weiter:
    »Was für ein Platz? Was für eine Zeit? Ich konnte nur feststellen, daß wir uns in einer Art riesigem Brunnenschacht befanden. Ringsum Wände aus massivem Treibsand, bis hinauf zu einem runden Loch, durch das etwas Tageslicht hereinfiel. Es mußten ein paar hundert Meter bis dort oben sein. ›Dies ist der Platz! Das ist die Zeit!< riefen die Maulwürfe. ›Platz! Atz!< echoten die Wände zurück. ›Zeit! Eit!<«
    Wieder einmal blickte ich in das weite Rund. Es war still wie im Großen Wald. Nussram sah demonstrativ gelangweilt auf seine Fingernägel. Smeik beriet sich mit seinem Wolpertinger. Chemluth gab mir Zeichen. Mit dem Finger schnitt er sich symbolisch die Kehle durch, um mir zu bedeuten, daß ich langsam Schluß machen sollte. Noch nie hatte ein Lügengladiator derart lange geredet.
    Dabei log ich mich gerade erst warm.
    »Ich bat einen der Maulwürfe um Aufklärung. Um seine lange, sehr feierlich vorgetragene und mit zahlreichen Abschweifungen in die Geschichte der Treibsandmaulwürfe durchsetzte Erklärung abzukürzen, hier eine knappe Inhaltsangabe: Der Maulwurfsvulkan ist ein tätiger Vulkan, der exakt alle sieben Jahre ausbricht, am siebten Siebten um sieben Uhr sieben. Es gibt ein paar Spitzfindige, die behaupten, es wäre sogar genau auf die siebte Sekunde, siebte Zehntelsekunde siebte Hunderstelsekunde, siebte Tausendstelsekunde, siebte ...«
    Das Publikum stöhnte gepeinigt auf.
    »Naja, und so weiter, aber das tut hier nichts zur Sache. Tatsache ist, daß jeder Treibsandmaulwurf, der älter als sieben Jahre ist und etwas auf sich hält, sich an diesem Tag zum Maulwurfsvulkan begibt.«
    Vulkan. Wenn es ein Wort gibt, das eine spannungsversessene Gemeinde noch mehr in Entzücken versetzt als Treibsand, dann ist es Vulkan, sofern man hinzufügt, daß es ein tätiger Vulkan ist, möglichst kurz vor seiner Lieblingsbeschäftigung, dem Ausbruch. Und eine exakte Zeitbestimmung, wann ein tätiger Vulkan ausbrechen wird, gehört zu den beliebtesten Dienstleistungen, die man einer Meute von Lügenduellsüchtigen bieten konnte. Die Unruhe im Stadion wurde immer stärker. Selbst Fhakir hob verstohlen eine Augenbraue, aber auf ihn achtete sowieso niemand mehr.
    Ich fuhr mit gesenkter Stimme fort:
    »Ein mächtiges Rumpeln ging durch den Vulkan, als würde ein Bollogg mit einer Gewitterwolke gurgeln. Eine ungute Ahnung stieg in mir hoch, wie ... wie Lava in einem Vulkanschacht! Ich fragte den Maulwurf, welches Datum wir hatten. ›Den siebten Siebten‹, sagte er.«
    Jetzt tat ich etwas Unerhörtes: Ich machte eine Pause. Nein, keine Kunstpause, sondern eine richtige Pause, eine Brotzeit sozusagen. Mir war eingefallen, daß ich noch ein Butterbrot in der Tasche hatte, von Chemluth eingepackt, damit ich mich vor dem Kampf stärken konnte. In der Aufregung war ich nicht dazu gekommen. Ich packte das Butterbrot feierlich aus und fing an zu essen.
    Das Publikum ächzte und raunte. Smeik beriet sich aufgeregt mit seinem Hofstaat. Chemluth hatte sich die Mütze übers Gesicht gezogen. Es war nicht vorgesehen, daß während eines Lügenduells pausiert wurde, aber es war auch nicht ausdrücklich verboten. Ich hatte eine Gesetzeslücke entdeckt.
    Gemütlich aß ich mein Brot weiter. Ich kaute jeden Bissen siebenmal. Dazwischen machte ich Unterbrechungen, sozusagen Pausen in der Pause. Noch niemand in der Geschichte der zamonischen Unterhaltungskunst hatte es gewagt, sein Publikum derart auf die Folter zu spannen. Als ich fertig war, faltete ich das Butterbrotpapier akkurat wieder zusammen und steckte es in die Tasche. Dann lehnte ich mich entspannt zurück, drehte Däumchen und brummte zufrieden vor mich hin, als hätte ich völlig vergessen, wo ich war. Gleich würden sie mich lynchen. Urplötzlich riß ich so

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