Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär
andere Tasche - und tatsächlich, da war der Ring! Kurz vor dem Hinsinken in den Schoß meiner Geliebten holte ich ihn hervor, streifte ihn, während sich unsere Lippen zum Kuß trafen, über ihren Finger, und siehe da: Er paßte wie angegossen.«
Stille. Absolute Stille.
Lärm. Tosender Lärm.
Die Zuschauer waren außer Rand und Band, auch die vornehmeren unter ihnen. Stühle wurden aus der Verankerung gerissen. Einen solchen Applaus hatte das Megather noch nie erlebt.
Zugegeben, die Geschichte war nicht von schlechten Eltern, aber mit so einer Reaktion hatte ich nicht gerechnet. Was ich damals gar nicht wußte, war, daß ich das Happy-End erfunden hatte, die romantische Geschichte mit glücklichem Ausgang.
Zuvor hatten alle zamonischen Geschichten, insbesondere die der Lügengladiatoren, entweder gar kein Ende gehabt, höchstens eine Pointe, oder das Ende war tragisch, voller Elend, Trauer, Mord und Totschlag. Der Held starb, die Heldin starb, der Bösewicht starb, der König starb, die Königin starb und natürlich alle Untertanen. Am Schluß aller zamonischen Geschichten der damaligen Zeit waren immer alle tot.
So naß mein Tal, der dramatische Heimatroman von Saittham Treb-Eis, endete damit, daß alle handelnden Personen im Regen ertranken. In Hildegunst von Mythenmetz' meistgelesenem Roman Der gebratene Gast gab es allein zwölftausend Tote, in seinem Gesamtwerk mehrere Millionen, und die meisten starben am Schluß. Es gab Schriftstellerschulen, an denen gelehrt wurde, daß in allen künstlerischen Geschichten das ganze Personal zu Tode zu kommen hat und wie man das am raffiniertesten anstellt, mit Degen und Glasdolch, mit Gift, fingiertem Unfall oder Totschlag, Krankheit oder Weltuntergang. Jeder Dichter wetteiferte mit seinen Kollegen darum, wer sich das blutrünstigste, tragischste und leichenübersäteste Ende einer Geschichte ausdenken konnte, und die, denen es gelang, wurden als Genies gefeiert.
Es gab Literaturpreise, deren Verleihung sich daran orientierte, wie hoffnungslos das Ende eines Buches war. In vielen Theatern Zamoniens trugen die Zuschauer in den ersten Rängen abwaschbare Bekleidung, weil in den meisten Inszenierungen das künstliche Blut nur so spritzte. Schriftsteller, die es wagten, Romane mit untragischem Ende anzubieten, wurden mit Stöcken aus den Verlagen getrieben. Ich stillte ein Bedürfnis, von dem die Zuschauer nicht einmal geahnt hatten, daß sie es besaßen. Überall wurden Taschentücher gezückt, Freudentränen über den glücklichen Ausgang vergossen, manche lagen sich, halb lachend, halb weinend, in den Armen. Chemluth tanzte einen kleinen Regenwaldtanz.
Nur zwei Personen zeigten keine Regung: Der eine war Volzotan Smeik. Er sah mich nur mit seinen kalten Haifischaugen an. Sein Hofstaat quasselte aufgeregt durcheinander. Der andere war der Einzigartige. Wenn ich Nussram Fhakir beeindruckt hatte, dann ließ er sich jedenfalls nichts davon anmerken. Teilnahmslos sah er in die Menge und wartete, daß sie sich beruhigte. Ich hatte schließlich nur eine Runde gewonnen und er schon zehn. Wie schon erwähnt:
Bin Lügenduell dauerte so lange, bis ein Gegner aufgab. Es war nicht festgelegt, wie viele Runden es gab und wie lange eine davon zu sein hatte. Manche Runden waren in fünf Minuten vorbei, manche in einer Stunde, es hat Lügenduelle gegeben, die bis zu vierzig Runden währten.
Unseres sollte hundert dauern.
Runde 12 bis Runde 22
Die nächsten elf Runden gingen alle an mich. Der Bann war gebrochen, der Heimvorteil Fhakirs vergessen, die Gunst des Publikums auf meiner Seite. Mein Gegner kam nicht schlecht dabei weg, seine Geschichten waren nach wie vor brillant, aber ich lag immer mit ein oder zwei Punkten vorn. Um ehrlich zu sein: Ich setzte weiterhin auf die anwesenden Damen unter den Zuschauern. Die folgenden Lügen hatten alle einen romantischen Aspekt, es ging um große Gefühle, ewige Treue, Liebesschwüre, dramatische Trennungen und gebrochene Herzen, alle hatten ein Happy-End, und es kam immer ein Ring darin vor. Wenn die Frauen applaudierten, taten dies ihre Männer um so heftiger, um ihnen zu gefallen. Nach elf Geschichten gingen mir allerdings die Stoffe aus, die sich mit der romantischen Übergabe von Goldringen verknüpfen ließen. Das Interesse des Publikums an schmachtenden Prinzessinnen erlahmte außerdem zusehends.
Runde 23 bis Runde 33
Nussram Fhakir witterte die Gunst der Stunde und verlegte sich auf einen ganz anderen Themenbereich: die
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