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Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär

Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär

Titel: Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Moehrs
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vor einem neuen Anfang. Nussram Fhakir kam nun mit einer völlig neuen Variation des Gladiatorenduells, einer revolutionären Form der Lü- genpräsentation, die er sich während seiner Bühnenabstinenz ausgedacht hatte und jetzt als Trumpfkarte ausspielte. Er hob die Hand, und auf sein Zeichen kam eine Kapelle von Voltigorken auf die Bühne, jeder mit einem bizarren Instrument ausgerüstet. Ich registrierte zwei Trollfellpauken, zwei Florinthische Trompaunen, eine Metallharfe, drei singende Sägen, zwei Fhernhachische Almtuten, zwei Baß- rüttler und ein yhollisisches Schifferklavier. Die Musikanten bauten sich hinter Nussrams Thron auf und warteten auf seine Kommandos.
    Die Zuschauer waren erstaunt, überall wurde getuschelt. Es war weder ausdrücklich erlaubt noch untersagt, Lügen musikalisch zu untermalen. Es war nur noch keiner darauf gekommen.
    Das also hatte Fhakir während seiner mysteriösen Abwesenheit getrieben: Er hatte sich der Musik gewidmet, sein stimmliches Organ in dieser künstlerischen Disziplin ausgebaut und gesanglich trainiert; er hatte sich neue Lügen ausgedacht und ihnen ein musikalisches Gewand gegeben. Als ehemaliger Bewunderer kam ich nicht umhin, innerlich den Hut vor ihm zu ziehen. Er hatte wieder einmal den Lügensport neu erfunden.
    Seine erste musikalische Lüge war angelegt wie eine Oper, mit einer langsamen getragenen Trompaunenmelodie, die mächtig ans Herz ging und über die Nussram in altzamonischer Sprache seinen Tenor schmetterte. Es tat nichts zur Sache, daß nur die wenigsten Zuschauer den Text verstanden, man wußte einfach, worum es ging, wie bei allen Opern, weil die Musik die Worte in Empfindungen übersetzt. Es ging um große Dinge, Liebe, Verrat, Tod und natürlich infame Lügen. Fhakir nutzte die kleine Treppe vor seinem Thron für theatralische Einlagen, er tänzelte gekonnt die Stufen auf und ab, er kroch auf ihnen herum, bearbeitete sie mit den Fäusten. Zum Schuß stürzte er artistisch die Stufen hinab, denn er simulierte seinen eigenen Tod. Mit tiefem Baß hauchte er sein Leben aus.
    Ich mußte eingestehen, daß Nussram nicht nur ein begabter Sänger war, sondern auch ein begnadeter Komponist. Die Melodien gingen wirklich ans Gemüt. Überflüssig zu erwähnen, daß er zehn Punkte bekam. Das Publikum war völlig aus dem Häuschen, begeisterter als zu jedem anderen Zeitpunkt des Duells.
    Ich hingegen kam nicht einmal dazu, meine nächste Geschichte zu Ende zu erzählen. Ich wurde ausgepfiffen, zum ersten Mal in meiner Karriere. Man wollte einfach nur sehen und hören, was sich Fhakir als nächstes ausgedacht hatte. Die Musiker arrangierten sich neu. Während ich gedacht hatte, daß er jetzt auf seiner bewährten Opernschiene weiterfahren würde, änderte Nussram bei seiner zweiten Geschichte alles: Musikart, Tempo, Lautstärke und sogar sein Aussehen. Er warf seine Gladiatorenrobe ab und zeigte dem Publikum seinen für sein fortgeschrittenes Alter erstaunlich wohltrainierten Oberkörper, was ihm einige Jauchzer aus der Damenwelt eintrug.
    Dann, ich kann es nicht anders formulieren, räumte er ab. Die Trollfellpaukisten legten einen treibenden Rhythmus vor, den die Voltigorken an den Baßrüttlern tatkräftig unterstützten. Der brutale, aber mitreißende Takt ließ den Boden des Megathers beben. Dann stiegen die singenden Sägen ein, mit einer elektrisierenden Melodie, die die ersten Zuschauer auf die Stühle trieb und selbst meine Beine zum Zucken brachte. Nussram hatte zu einer rauchigen Baßlage gewechselt und schüttelte die Hüften, ein bißchen zu affig, wie ich fand. Dem Publikum gefiel es allerdings. Selbst die schrillsten Akkorde des Schifferklaviers hoben die Stimmung. Ich mußte mich enorm beherrschen, nicht den Takt mitzuklatschen und meine stoische Haltung zu bewahren. Das Publikum schüttelte indessen seine Hüften nach dem Vorbild Fhakirs.
    Dies war nicht nur eine gänzlich andere Art des Lügenerzählens, es war auch eine völlig neuartige Auffassung von Musik. Bisher kannte man in Atlantis die tragische Oper, die unterschiedlichsten Volksmusiken und das verkitschte Gejammer von Zart Strom, das war alles. Das hier war neu. Fhakir hatte wirklich Mumm, er setzte alles auf eine Karte. Die Geschichte selbst war diesmal wegen des Lärms kaum zu verstehen (es ging um ewige Jugend durch Hüftschütteln), und ich hatte meine Zweifel, ob das überhaupt noch als Lü- gensport zu bezeichnen war, aber der Erfolg sprach für sich. Wieder zehn Punkte, tosender

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