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Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär

Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär

Titel: Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Moehrs
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Jubel. Und Pfiffe für mich, als ich auch nur den Mund auftat.
    Die nächste Lügengeschichte war dann wieder sehr deutlich zu verstehen, weil sich Nussram dabei nur von der Harfe begleiten ließ. Er hatte sich das Gewand wieder übergeworfen, in einem hohen Eunuchensopran sang er von der Entstehung des Hutzengebirges, in Form einer erfundenen Sage, die man mit viel gutem Willen gerade noch als Lügengeschichte durchgehen lassen konnte. Aber die Melodie war tatsächlich ergreifend, auf eine andere Art als die Oper, diesmal appellierte Fhakir an das zamonische Heimatgefühl. Dann fing er an zu jodeln. Unterstützt von den fhernhachischen Almtuten (unseren heutigen Alphörnern sehr ähnlich), knödelte er eine seltsam rhythmische Melodie in das Megatherrund, die besonders die anwesenden Bergzwerge zu Ovationen veranlaßte. Dazu unterstützte er den Takt, indem er im Kreis herumsprang und sich mit den Handflächen auf die Schenkel schlug, was das Publikum spontan nachmachte.
    Schließlich verfiel er wieder in pathetischen Gesang, der vom Glühen der Berge und seiner unauslöschbaren Liebe für sein Vaterland handelte.
    Die Blutschinken schluchzten. Für meinen Geschmack war das etwas zu kitschig, aber Nussram bekam zehn Punkte, da gab es nichts zu rütteln. Mir blieb nur, mich erneut mit meiner Geschichte durch die Buhrufe zu schlagen. Nussram Fhakir räusperte sich und zerstrubbelte sein Haar, damit es ihm in wilden Strähnen ins Gesicht hing. Er ließ sich das yhollisische Schifferklavier reichen und sang mit einer Stimme, auf die jeder irische Druide stolz gewesen wäre, ein Seemannsgarn von feinster Webkunst. Mit glasigem, tränenumflortem Blick und schluchzendem Tremolo in der Stimme sang er von seiner Liebsten, die ein bösartiger Tyrannowalfisch Rex verschlungen hatte. Sie lebte aber noch im Bauch des Wals und schickte ihm regelmäßig herzzerreißende Flaschenpost.
    Die Voltigorken bildeten einen heiseren Chor und sangen den Refrain mit, der von den Trinkgewohnheiten der Meeresgötter handelte. Das Publikum legte sich schunkelnd in den wogenden Rhythmus. Der Inhalt des Liedes steigerte sich noch zu einer dramatischen Rettungsaktion, in deren Verlauf nicht nur die Geliebte gerettet, sondern auch der Walfisch von Fhakir mit bloßen Händen erwürgt wurde. Ich mußte innerlich höhnisch auflachen, das Publikum nicht. Zehn Punkte für Fhakir, Buhrufe und Maiskolben für mich. Volzotan Smeik hatte sich mittlerweile vollkommen entspannt. Solch eine Begeisterung für den einen und vernichtende Ablehnung für den anderen Gladiator hatte das Stadion noch nicht erlebt. Nussram Fhakir erlebte ein sensationelles Comeback.
    So ging es fünfzehn Runden lang. Mit jeder Runde wechselte er den Musikstil, die Stimme, das Aussehen und die Art der Erzählung. Er sang zur weinenden Säge einen traurigen Blues, schrie im Takt der Trollfelltrommeln einen ekstatischen Kriegsgesang, brachte Operetteneinlagen, sang mit glasklarer Stimme a cappella, betätigte sich selber virtuos am Baßrüttler, dirigierte sein Orchester mit großartigen Gebärden, malträtierte die Glasharfe mit Füßen, steppte die Treppe hinauf und hinunter und vollführte ein paar artistische Kunststückchen, die ich ihm in seinem Alter wirklich nicht mehr zugetraut hätte. Und er kassierte jedesmal zehn Punkte. Die Blutschinken hatten mittlerweile die fettigen Maiskolben entzündet und schwenkten sie im Takt der Musik. Bei mir war jetzt eine Gladiatorentugend gefragt, die ich noch nie erprobt hatte: den Buhrufen und Pfiffen nervlich standzuhalten. Manch ein Lügengladiator war daran schon gescheitert, nur die härtesten hielten das aus. Aber das Duell ist erst dann zu Ende, wenn man aufgibt, und der wahre Lügengladiator zeigt wirkliche Größe, wenn er an diesem untersten Punkt standhält und dem Drang widersteht, schluchzend von der Bühne zu stürmen.
    Ich stand da wie ein Laternenpfahl, als mir die abgenagten Maiskolben um die Ohren flogen. Das war der tiefste Punkt meiner künstlerischen Laufbahn. In meinem Inneren schrie alles danach, von der Bühne zu fliehen und mich in der Kanalisation zu verkriechen, aber ich blieb stehen und steckte ein, was kam: Buhrufe, Pfiffe, Gezischel, Maiskolben, Bierkrüge, sogar kleinere Teile der Bestuhlung und ein ganzer Blutschink, der von seinen Kumpanen auf die Bühne geworfen wurde. Ich setzte mich nicht einmal hin, obwohl die Demütigungen im Stehen noch schwerer hinzunehmen waren, wegen der wackeligen Knie, die sie

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