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Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär

Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär

Titel: Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Moehrs
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verursachten. Ich zwang mich sogar, mich auf ein Bein zu stellen, um zu demonstrieren, wie wenig sie mir anhaben konnten. Das Publikum wußte, daß man einen Gladiator mit Buhrufen allein nicht vertreiben kann. Auch negative Reaktionen schlugen sich auf der Skala nieder, je lauter die Pfiffe, desto höher die Punkte. Also beruhigte es sich wieder. Wenn man diesen Punkt überwunden hat, dann ist man aus dem Grobsten heraus. Nach und nach ebbten die Unmutsbekundungen ab und verwandelten sich zunächst in launisches Gemurre, schließlich sogar in dezenten Beifall. Das Publikum ist ein wildes Pferd, es muß durch eisernen Willen gezähmt werden. Nur die besten Lügengladiatoren schaffen das.
    Das wußte auch Fhakir, und deshalb erlangte ich mit meinem Durchhaltevermögen bei ihm mehr Respekt als mit all meinen Geschichten. Er lernte jetzt endgültig, daß er es mit einem gleichwertigen Gegner zu tun hatte.
    Erst bei den letzten fünf Musiknummern erlahmte der Applaus ein wenig, es gab nur noch neun und acht Punkte für Fhakirs gesangliche Darbietungen. Nach der zweiundsiebzigsten Runde hatte er nur noch Zugaben gegeben, sein Repertoire war erschöpft. Das Publikum hatte sich wieder hingesetzt, müde vom Klatschen und Trampeln.
    Das Voltigorkenorchester watschelte von der Bühne, Ruhe kehrte ein, und ich erzählte tapfer meine nächste Lügengeschichte. Das Publikum war wieder bereit für die ruhigere Gangart. Es gab nur noch wenig Widerstand.

    Runde 78 bis Runde 90
    In den nächsten dreizehn Runden sank das Punktniveau auf die niedrigsten Werte des ganzen Duells. Die Zuschauer waren körperlich völlig verausgabt von Fhakirs musikalischer Einlage, er selbst war auch am Ende seiner Kräfte. Er hatte sicherlich angenommen, daß ich irgendwann im Verlauf seiner Musikrevue das Handtuch werfen würde. Das war aber nicht geschehen, ich stand immer noch, und sein Repertoire war erschöpft. Er griff auf Routinegeschichten zurück, wiederholte Bewährtes, und kassierte dafür minimale Punktzahlen. Ich selbst mußte mich aus meinem Tief hochkämpfen und durfte ebenfalls froh sein, wenn ich über zwei oder drei Punkte hinauskam.
    Schließlich gingen drei Runden an ihn und zehn an mich, mit minimaler Punktzahl. Das Publikum war am Ende seiner Begeisterungsfähigkeit.
    »Aufhören, aufhören!« skandierten ein paar Yetis.
    Wir hatten neunzig Runden gekämpft, 45 davon gingen an mich, 45 an Fhakir. Wir waren beide vollkommen ausgelaugt, unsere darstellerischen Bemühungen beschränkten sich auf ein gelegentliches lasches Winken oder ein Hochziehen der Augenbraue.
    Das Publikum applaudierte nur noch aus Höflichkeit, über einen Punkt kam keine Geschichte mehr hinaus. Die Scham verbietet mir, deren Inhalte preiszugeben, es war wirklich unterstes Niveau. Jede Phantasiefaser unserer Gehirne war bis aufs letzte Tröpfchen ausgewrungen. Aufgeben wollte natürlich auch keiner, nach diesem langen Kampf. Es schien auf ein Unentschieden hinauszulaufen. Hilfesuchend ließ ich meinen Blick über die Menge schweifen. Ich brauchte irgendeinen Anhaltspunkt, aus dem ich meine nächste Geschichte entfalten konnte.
    Ich blieb bei Smeik hängen, der mich immer noch eiskalt musterte. Mit ihm hatte alles angefangen, ich mußte daran denken, wie er damals gelacht hatte, als ich ihm meine Lebensgeschichten erzählte. Er hatte sie für gut ausgedachte Lügen gehalten, das war der Anfang meiner Karriere.
    Meine Lebensgeschichten.
    Moment mal.
    Wenn sie Smeik gefallen hatten, wieso nicht auch dem Publikum? Er hatte einen guten Instinkt für das, was gefragt war. Es war nicht ganz fair, denn es waren ja keine Lügengeschichten, aber wer konnte das nachprüfen? Außerdem war Fhakirs Musikeinlage ja auch nicht ganz nach den Regeln gewesen.

    Runde 91
    Ich fing an bei den Zwergpiraten, erzählte von den nächtlichen Feuerwerken und den gescheiterten Kaperversuchen, meinem Wachstum durch Algenkost und meiner Fähigkeit, einen Knoten in einen Fisch zu machen.
    Das Publikum horchte auf. Sie hatten fast vergessen, was eine gute Lügengeschichte war. Sie befanden sich immer noch im Zustand der Lethargie, der Applaus war nicht gerade überwältigend (drei Punkte), aber ich hatte wieder Aufmerksamkeit erregt.
    Das war ein Anfang. Der Anfang vom Ende. Nussram erwachte nur schwerfällig aus seiner Betäubung.
    Er war irritiert, hatte nicht damit gerechnet, daß ich noch einmal auf die Beine kommen würde. Aber er riß sich zusammen und erzählte schnell eine dürftig

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