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Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär

Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär

Titel: Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Moehrs
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Tyrannen, Zoltaren und Großrunkel, die diesen Kontinent jemals regiert hatten. Ich erfuhr von ihrer Herkunft, ihrer Jugend, ihren Eßgewohnheiten, ihren noblen oder wirren Ansichten, bis ich begriff, was sie zu dem einen oder anderen Regierungsstil oder in den Wahnsinn geführt hatte. Ich erfuhr von der Existenz so gegensätzlicher Monarchen wie Polpap Peth dem Selbstlosen, der seine Regierungsgeschäfte von einem Nagelbrett aus geführt hatte, und dem größenwahnsinnigen Kivdul dem Zweiten, der nur zu seiner persönlichen Zerstreuung einen künstlichen Vulkan im Originalmaßstab bauen ließ, um sich in dessen Krater Opern nach den Versen von Hildegunst von Mythenmetz aufführen zu lassen.
    Wir hörten von Zamoniens Auftauchen aus dem Meer vor einer Million Jahren, seiner ursprünglichen Bevölkerung aus Dinosauriern, Großdrachen, Rieseninsekten, Bolloggs und Urdämonen, von deren allmählichem Aussterben und der Besiedelung durch andere Daseinsformen aus aller Welt. Nachtigaller berichtete uns vom Zweitausendjährigen Zyklopenkrieg, dem großen Wolterkenaufstand, dem Bau von Atlantis und unzähligen anderen historischen Ereignissen Zamoniens.

    Von der Geschichte wechselte Nachtigaller nahtlos zur Physik. Der Professor führte jedes Element, aus dem sich die Erde zusammensetzt, einzeln pantomimisch auf, zunächst die Grundelemente: Feuer, Wasser, Erde, Luft. Beim Feuer wand und schlängelte er sich wie die Flammenzungen einer Fackel und erzeugte ein derart echtes Knistern und Prasseln, daß uns ganz warm wurde und wir glaubten, den Rauch riechen zu können. Beim Wasser rollte er zuerst gemächlich seinen Körper auf dem Boden hin und her, um das gelassene Spiel der Gezeiten zu demonstrieren, dann richtete er sich zu einer Flutwelle auf und rannte brüllend auf uns zu, so daß wir alle einen Moment lang fürchteten, einen nassen Tod zu sterben. Als Erde krumpelte er sich zuerst zusammen wie ein ordinä- res Stück Ackerdreck, dann stellte er, immer tiefer in die Erdschichten vordringend, eine Gesteinsform nach der anderen dar, bis er sich schließlich in Form von Lava zu einem beeindruckenden Vulkanausbruch entlud. Ich weiß noch, daß Fredda zum Schutz die Hände über dem Kopf gefaltet hielt. Beim Wind begann er auch ganz harmlos, als Lüftchen, als zarter Windhauch. Er tänzelte durch das Klassenzimmer und blies Fredda zärtlich in die strubbeligen Haare, dann fächelte er uns mit den Händen angenehm kühle Brisen zu. Er entwickelte durch stärkeres Wedeln heftigere Winde, die unvermittelt in Böen übergingen und dann in einen Wirbelsturm ausarteten, bei dem Professor Nachtigaller sich um seine eigene Achse drehte wie ein verrückter Windgeist, durch die Klasse fegte und alle Papiere aufwirbelte und die Bleistifte von den Tischen fegte. Dazu brüllte er wie eine ganze Stierherde, die in Panik geraten war. Wir klammerten uns an unseren Pulten fest.

    Danach kamen die Unterelemente dran: Schwefel, Eisen, Zinn und Jod, Kobalt, Kupfer, Zink, Arsen und so weiter, jedes dargestellt durch eine perfekte Pantomime. Arsen zum Beispiel stellte er dar, indem er sich an die Kehle griff und uns röchelnd vorspielte, was passiert, wenn man dieses Element aus Versehen zu sich nimmt. Quecksilber, indem er seine Arme und Beine so kurvenreich verbog, daß es fast aussah, als würden sie sich verflüssigen wie Butter auf der Herdplatte; Schwefel, indem er furzende und ekelhafte Geräusche und Gerüche von sich gab, die uns einen Vorgeschmack der Hölle vermittelten.
    Er stellte uns schließlich auch die Elemente vor, die heute ausgestorben sind. Damals hatten sie noch Eigenschaften, die heutzutage märchenhaft erscheinen, manche konnten fliegen oder träumen. Sie hießen Cemolam, Rronk, Perpemm oder Unzium. Von ihnen erzählte man sich die wildesten Legenden, überall in Zamonien gab es Abenteurer, die immer noch nach ihnen suchten.
    Das seltenste und legendenumwobenste Element aber war das Zamomin. Als Nachtigaller auf das Zamomin zu sprechen kam, horchte ich auf, vielleicht alarmiert durch den seltsamen Unterton, den seine Stimme plötzlich bekommen hatte. Dem Professor schien zum ersten Mal unwohl bei seinem Lehrstoff zu sein. Er brachte das Thema auffällig hastig hinter sich, informierte uns lediglich, daß Zamomin das einzige Element ist, das denken kann, daß nur eine winzige Menge davon existiert und diese auf mysteriöse Weise verschollen ist. Dann steckte er sich den Finger ins Ohr, um schnell auf ein anderes Gehirn

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