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Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär

Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär

Titel: Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Moehrs
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Süßen Wüste zu entwerfen. So verging die Zeit etwas anspruchsvoller, aber Sinn machte es keinen, weil sich die Süße Wüste ja in dauerndem Wandel befand.
    Die andere Abwechslung war die Vielzahl der aufgefundenen Flaschenpost. So fand man zum Beispiel immer wieder die gleiche Botschaft mit den zwölf besagten Geboten, in derselben Schrift und Reihenfolge. Die Gimpel bestärkte das, an diesen Regeln festzuhalten. Wir fanden Flaschenpost mit herzzerreißenden Briefen darin, letzte Grüße verdurstender Abenteurer, die nicht über die Instinkte der Gimpel verfügten, was das Ausfindigmachen von unterirdischen Wasseradern angeht. Scherzbolde hatten absurde Schatzkarten verschickt, was ich sehr verantwortungslos fand, denn Leichtgläubige konnten dadurch in die Irre geschickt werden. Die meisten Briefe waren aber banalen Inhalts, langweilige Beschreibungen von Wüstenlandschaften und Befindlichkeiten einsamer Wanderer, mit lieben Grüßen an die Verwandtschaft. Manche waren auch nur völlig irre, wie vom Sonnenstich diktiert. In einer Flasche fanden wir einen Tornadofahrplan.
    Hatte man eine Flaschenpost gefunden, war es Pflicht, sie der ganzen Karawane vorzulesen. Eines Nachmittags hatte ein Gimpel wieder mal eine gefunden, wir hielten an und versammelten uns um die Düne, von der aus er sie vortrug:
    »Hutzenberge riesengroß Hutzenberge makellos ...«
    Ich lief sofort zu dem Gimpel und ließ mir die Botschaft zeigen.

    Hutzenberge riesengroß
    Huzenberge makellos
    Hutzenberge sind so weit
    Hörst du meinen Hutzenschrei?

    Das war einer von Freddas Zetteln, ihr Lieblingsgedicht. Sie hatte also auch die Süße Wüste durchquert. Der Zettel, auf den sie das Gedicht geschrieben hatte, war relativ neu und unvergilbt, was mir die Gewißheit gab, daß ich bei meinem Dimensionslochsturz unsere Zeit um nicht allzuviel verpaßt haben konnte, vielleicht nur ein paar Wochen oder Tage. Freddas Flaschenpost stürzte mich in noch tiefere Zweifel über mein eigenes Tun. Sobald wir irgendwann zufällig wieder einen Wüstensaum erreichten, wollte ich die Gimpel verlassen. Bis dahin mußte ich mich in Geduld fassen.
    Wo Fredda jetzt wohl war?
    Damit hatte es sich aber schon mit den angenehmen Zerstreuungen. Neben dem Wandern und der Wassersuche beschäftigten sich die Gimpel vorwiegend damit, aufmerksam die Natur zu beobachten, um eventuellen Überraschungen vorzubeugen.
    Neben den Zuckerschmelzen und den verschiedensten Formen von Sandstürmen gab es verheerende Zuckerwasser- überschwemmungen, wenn es ausnahmsweise einmal regnete. Umfangreiche Treibsandfelder täuschten festen Grund vor. Die Gimpel erzählten sogar von fleischfressenden Heuschreckenschwärmen, die gelegentlich die Süße Wüste heimsuchten. Die Gimpel hatten sich darauf eingestellt, indem sie ihre Umgebung aufmerksam beobachteten und einzuschätzen lernten. Geringste Veränderungen konnten auf drohende Gefahren hinweisen und ihnen die Gelegenheit geben, sich dagegen zu wappnen.
    Sie kannten 2000 verschiedene Namen für Sand. Grobkörniger Sand hatte einen anderen Namen als feinkörniger, heller einen anderen als dunkler, und dazwischen gab es noch unglaublich viele Nuancen für mehr oder weniger klebrigen oder trockenen, rauhen oder glatten, glasigen oder undurchsichtigen Sand. Nuancen, die ich niemals wahrnehmen würde, aber ein Gimpel konnte auf 200 Meter Entfernung bestimmen, ob eine Düne aus »Glehm«, »Rinnsel« oder »Gedün« bestand. Anhand der Schichtung verschiedener Sandarten konnten die Gimpel ziemlich genau bestimmen, ob ein Sandsturm bevorstand oder nicht, beziehungsweise auf welche von den zirka fünfhundert verschiedenen Sandsturmarten man sich einzustellen hatte.
    Eines Tages, es war so um die Mittagszeit, blieb die Karawane plötzlich unvermittelt stehen, als habe jemand ein unhörbares Kommando dazu gegeben. Fast alle Gimpel hielten witternd ihre Nase in die Luft.
    »Scharach il Allah!« sagte jemand ganz hinten in der Karawane.
    »Scharach il Allah!« wiederholte ein anderer Gimpel.
    »Scharach il Allah! Scharach il Allah!« schrie bald die ganze Gemeinde durcheinander.

    Aus dem
»Lexikon der erklärungsbedürftigen Wunder,
Daseinsformen und Phänomene Zamoniens und
Umgebung«
von Prof. Dr. Abdul Nachtigaller
    Scharach il Allah: Man zählt zirka fünfhundert Sandsturmarten in der Süflen Wüste, vom niedlichen Staubgewusel über den Tornado [->Tornado, der Ewige] bis hin zum brüllenden Steinorkan. Die gefährlichste Form horizontal

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