Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär
gestern war nicht ganz so gimpes Wetter wie heute, stimmt's, Blaubär?«
Ich: »Nein das Wetter war gestern nicht annähernd so makellos wie heute, (sehr schnell) Konstantinkonstantinopelkanstontonipelzehnneunachtsiebensechsfünfvierdreieins, bei weitem nicht!«
Er (beeindruckt): »Tja ... dann muß ich mal wieder, Blaubär!«
Ich (erleichtert, deswegen unkonzentriert):
»Dann bis demnächst, Konstantin Konstantinopel Kanstontonipel ZehnneunachtsiebensechsfünfVierdreiZWEIeins ... Aaaaaaarrgh!«
Er (gespielt gekränkt die Hände zum Himmel werfend): »Oh, wie kannst du mich nur so beleidigen, niemals hat mich jemand derart...!« usw., usw.
Die nächsten drei Tage verbrachte ich damit, mich mit Sand zu bewerten und einen Namen fehlerfrei in die Wüste zu kreischen, den ich hier jetzt wirklich nicht noch einmal hinschreiben werde.
Gott sei Dank fiel mir dann irgendwann auch ein Weg aus diesem unerträglichen Dilemma ein. Ich trat vor die Gimpelgemeinde und erklärte feierlich, daß ich mir selber einen neuen Namen gegeben hätte. Das war mein gutes Recht als Laiengimpel, ich hatte es nur noch nie genutzt. Ich hieß ab jetzt Tihiivianipirii Kengklepperkengkerenng Tajdfjiopäörtfzttughhtrtrhhgsrtgh Keek Kaak Kookkeek Kaak Blaubär der Dreihundertachtundfünfzigtausendsechshundertvierundachtzig ste Juniorseniorgroßwesirfurunkel. Das war der längste Name, den sich jemals ein Gimpel gegeben hatte. Danach war Ruhe in den Dünen. Niemand wagte es mehr, mich blöde anzuquatschen. Ich vereinsamte sogar ein bißchen.
Nachdem ich monatelang mit den Gimpeln im Zickzack, in sinnlosen Spiralen oder Schlangenlinien durch die sengende Hitze marschiert war, fingen sie langsam an, mir auf die Nerven zu gehen. Ihr ewiges »Gimp!« und ihre ständige Unentschlossenheit, die monotone Musik am Abend und die abwechslungslose Küche (Gimp) taten ein übriges dazu. Ich halte mich für eine harmonieliebende Kreatur, aber ich muß gestehen, daß das Leben bei den Gimpeln so aufreizend friedlich verlief, daß es mich manchmal juckte, einen kleinen Streit vom Zaun zu brechen. Das eintönige Geschwätz über Anagrom Ataf (andere Themen waren Sandqualität, Windstärke und Gimprezepte), die klebrige Luft, das ewige dissonante Blöken der Kamedare und die lästigen Zuckerfliegen, die versuchten, mir das bißchen Flüssigkeit, das ich in mir hatte, aus den Augenwinkeln zu schlürfen - all das zusammen konnte einen schon dazu bringen, schreiend in die Wüste zu laufen und einen Kaktus zu verspeisen. Aber ich riß mich zusammen und folgte weiterhin treu der blökenden Karawane auf ihrer Reise nach Nirgendwo.
Eines Tages - wir waren schon den halben Tag unterwegs, und selbst die hartnäckigsten Gimpel zeigten Anzeichen der Erschöpfung - bemerkte ich, daß der Boden klebriger war als gewöhnlich. Mit jedem Schritt wurde es schwieriger, die Fußsohle vom Wüstensand zu befreien. Es war, als ginge man mit Saugnäpfen an den Füßen über eine Glasscheibe. Die Gimpel hatten es auch schon bemerkt.
»Zuckerschmelze! Zuckerschmelze!« riefen sie durcheinander.
Aus dem
»Lexikon der erklärungsbedürftigen Wunder,
Daseinsformen und Phänomene Zamoniens
und Umgebung«
von Prof. Dr. Abdul Nachtigaller
Zuckerschmelze, die: Rohrzucker schmilzt bei 160 Grad Celsius, erstarrt heim Abkühlen zu einer amorphen Masse, ist in diesem Zustand hygroskopisch und wird beim Liegen kristallinisch. Bei anhaltendem Erhitzen auf 160 Grad verwandelt sich Rohrzucker in Frucht- oder Traubenzucker, über 190 Grad jedoch in braunen bitteren Karamel. In den Sommermonaten können die Temperaturen in der zentralen ->Süßen Wüste bis zu über zweihundert Grad erreichen, besonders wenn mangelnde Luftbewegung den Temperaturanstieg begünstigt. In Landschaften von pfannenförmiger Struktur [flache Täler, ausgetrocknete Seen] kann es dann zu den sogenannten Zuckerschmelzen kommen, wobei sich quadratkilometergroße Teile der Wüsten zeitweise karamelisieren, um später bei sinkenden Temperaturen wieder zu erstarren.
Gefährlich sind diese Zuckerschmelzen nicht nur für Sand-Aale und Klapperskorpione, die sich bevorzugt in solchen Gegenden aufhalten, sondern auch für den arglosen Wanderer, der sich im Zentrum einer Zuckerverflüssigung befindet. Ihn umfängt der heiße Zucker ohne Warnung zunächst bei den Füßen, dann sinkt das hilflose Opfer immer tiefer in die schmelzenden Kohlehydrate, bis er ganz darin eingeschlossen ist, wie ein prähistorisches Insekt in
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