Die 13. Stunde
wurde, diesmal für alle Ewigkeit.
»Was ist, Liebling?«, fragte Julia.
Er bekam immer noch kein Wort heraus.
»Du machst mir Angst.« Furcht schwang in ihrer Stimme mit. »Sag mir doch, was los ist.«
Nick schwieg fassungslos. Ihm war ein unerfüllbarer Wunsch gewährt worden. Er konnte ihr unmöglich sagen, was geschehen war … nein, verbesserte er sich: Was geschehen würde.
»Ich liebe dich«, sagte er schließlich und nahm ihr Gesicht zwischen die Hände. »Es tut mir leid, was ich heute Morgen gesagt habe.«
Er zog sie wieder an sich und küsste sie leidenschaftlich. Und dann lagen sie am Boden und rissen sich voller Verlangen die Kleider vom Leib. Julia lachte, als sie sich vor Nick ankleidete, der mit baumelnden Beinen auf der Anrichte saß und jede ihrer Bewegungen verfolgte. Als sie in ihren schwarzen Rock stieg, verlor sie das Gleichgewicht, verfing sich mit dem Fuß im Reißverschluss und riss den Saum auf.
»Interessante Turnübung«, sagte Nick lachend, als er den Riss in ihrem Rock sah.
»Wenn du möchtest, kannst du mir alles gleich noch mal herunterreißen«, erwiderte sie.
Nick sprang von der Anrichte, griff in die Tasche, holte die goldene Uhr hervor und klappte den Deckel auf. Es war Viertel nach sechs.
»Hübsche Uhr«, sagte Julia, während sie sich die Bluse zuknöpfte. »Hat deine Geliebte sie dir geschenkt?«
»Ja«, erwiderte er. »Damit ich immer rechtzeitig bei ihr verschwinde, sodass du keinen Verdacht schöpfst.«
»Ha!«, machte Julia. »Ich würde es dir an der Nasenspitze ansehen.«
Nick ging ins Esszimmer und sah nach der Glastür, die auf die hintere Terrasse führte. Dann zog er die Vorhänge zu, ging im Erdgeschoss von Zimmer zu Zimmer und verriegelte die Fenster. Zum Schluss legte er an der Haustür den Riegel vor.
»Warum verriegelst du die Türen?«, fragte Julia. »Nach allem, was heute passiert ist, sind wir karmamäßig auf der sicheren Seite.« Sie seufzte. »Ich bin noch immer völlig fertig.«
»Wie meinst du das?« Nick hatte nicht die leiseste Ahnung, wovon sie sprach.
»Ich kann immer noch nicht fassen, dass ich noch lebe.«
Nick starrte sie an. »Was sagst du da?«
»Der Flugzeugabsturz«, sagte sie, als wäre es offensichtlich. »Ich hätte in der Maschine sitzen sollen.«
»Was?«
»Ich habe den ganzen Tag versucht, dich zu erreichen, aber du bist nicht ans Telefon gegangen. Ich dachte, du hättest dich zu tief in deine Arbeit vergraben. Hast du meine Nachricht denn nicht bekommen?«
»Du … du solltest in dem Flugzeug sitzen, das heute abgestürzt ist?«, stammelte Nick.
»Ja. Ich dachte, deshalb bist du so aufgewühlt. Weil ich dem Tod um Haaresbreite von der Schippe gesprungen bin.«
»Ich … es tut mir leid«, sagte Nick. Das Herz klopfte ihm bis zum Hals. »Jetzt verstehe ich gar nichts mehr …«
»Was ist denn passiert?« Julia legte ihm die Hand aufs Bein und rieb es sanft. »Du bist heute gar nicht du selbst.«
»Erzähl mir von dem Flugzeug«, sagte Nick.
»Ich sollte nach Boston zu einer Besprechung. Sie war in letzter Sekunde angesetzt worden und hätte höchstens eine Stunde gedauert. Ich hätte den Shuttleflug zurück genommen … also wirklich, ich kann es kaum glauben, dass du deine Mailbox nicht abgehört hast.«
»Und warum warst du nicht in der Maschine? Ich meine …«
Plötzlich klingelte das Telefon. Beide erschraken. Das Küchentelefon war ein altmodischer Wandapparat mit einem Hörer an einem langen Spiralkabel. Die Telefonleitungen funktionierten trotz des Stromausfalls noch, da das Telefonnetz ein eigenes Stromversorgungssystem besaß.
Julia war vor Nick am Apparat und nahm den Hörer von der Gabel.
»Hallo?«, sagte sie. »Oh, hallo, ich bin froh, dass Sie anrufen.« Sie legte die Hand über die Sprechmuschel und blickte Nick an. »Es dauert nur zwei Minuten.«
Er nickte und verließ die Küche durch den hinteren Flur. Ein Frösteln überkam ihn, als er die kleine Kammer betrachtete. Er schaute die Hintertreppe hinauf, öffnete den Eingang zum Keller, schloss die Tür rasch wieder und sperrte sie ab. Er sah Julias Handtasche am Haken hängen, nahm sie herunter und blickte hinein. Er sah ihre Brieftasche, ihr Handy und ihren Palm Pilot. Dann schaute er sich erneut in dem Raum um, der beinahe klinisch sauber war. Auf dem Boden war kein Tropfen Blut zu sehen, keine Leiche …
… noch nicht.
Nick schüttelte den Albtraum ab, hängte die Handtasche wieder an den Haken und ging in die Garage. Dort nahm er
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