Die 2 Chance
ich jetzt ruhig zugeben.« Dann stöhnte sie.
Ich streichelte ihre Hände.
»Ich habe ihn nicht genügend stark gewollt«, sagte Jill. Dann brach sie in haltloses Schluchzen aus.
Wir fuhren hinten im Notarztwagen mit Jill ins Krankenhaus, gingen neben ihrer Trage her, als man sie zur Entbindungsstation rollte. Dann warteten wir und hofften, dass die Ärzte ihr Kind retten konnten.
Noch ehe sie in den OP kam, hatte sie meine Hand ergriffen. »Sie scheinen immer zu gewinnen«, hatte sie gesagt. »Ganz gleich, wie viele Dreckskerle du aus dem Verkehr ziehst – sie finden immer einen Weg zu gewinnen.«
Cindy stieß zu uns, und wir warteten zu dritt. Ungefähr zwei Stunden später kam Jills Mann, Steve, angerannt. Wir umarmten uns. Am liebsten hätte ich ihn angebrüllt.
Ist dir nicht klar, dass dieses Baby für dich war?
Als die Gynäkologin herauskam, ließen wir ihn mit ihr allein.
Jill hatte Recht gehabt. Sie hatte das Baby verloren. Sie nannten es eine Plazenta-Ablösung, auch verursacht durch den Arbeitsstress. Die einzige gute Nachricht war, dass man den Fötus chirurgisch entfernt hatte und Jill ihn nicht hatte gebären müssen.
Später verließen Claire, Cindy und ich das Krankenhaus und gingen auf die California Street. Keine wollte nach Hause fahren. In der Nähe war ein japanisches Restaurant, das Cindy kannte. Wir gingen dorthin und tranken Bier und Sake.
Es war schwer zu akzeptieren, dass Jill, die unermüdlich in ihrem Büro arbeitete, die in Moab kletterte und mit dem Mountainbike jedes Gelände in Sedona bezwang, zwei Mal ein Kind verloren hatte.
»Das arme Mädchen ist einfach zu hart gegen sich selbst«, sagte Claire und seufzte. Sie wärmte sich die Hände an dem Sakebecher. »Wir alle haben ihr gesagt, sie solle langsamer machen.«
»Jill hat diesen Gang einfach nicht«, meinte Cindy.
Ich tunkte ein Blätterteigröllchen in die Soße. »Sie war Steve zuliebe schwanger. Das konnte man an ihrem Gesicht sehen. Sie hat einen unmöglich engen Zeitplan und gibt nichts ab. Und er saust im ganzen Land umher und besucht Investment-Banker.«
»Sie liebt ihn«, protestierte Cindy. »Die beiden sind ein Team.«
»Das stimmt nicht, Cindy«, widersprach ich. »Claire und Edmund sind ein Team. Jill und Steve sind in einem Wettrennen.«
»Wahr ist, dass Jill immer Nummer eins sein musste«, sagte Claire. »Sie kann nicht verlieren.«
»Und wer von uns ist anders?«, fragte Cindy, schaute uns an und wartete.
Betretenes Schweigen. Wir blickten einander schuldbewusst an.
»Es geht tiefer«, sagte ich. »Jill ist anders. Sie ist hart wie Stahl, aber im Herzen ist sie einsam. Jede von uns könnte jetzt dort sein, wo sie ist. Wir sind unbesiegbar. Abgesehen von dir, Claire. Du hast diesen Mechanismus, der alles zusammenhält, dich, Edmund und die Kinder – für immer.«
Claire lächelte. »Jemand muss hier fürs Gleichgewicht sorgen. Du hast gestern deinen Vater getroffen, richtig?«
Ich nickte. »Es ist ziemlich gut gelaufen. Wir haben viel geredet und ein paar Dinge aus der Welt geschafft.«
»Keine Prügelei?«, fragte Cindy.
»Keine Prügelei.« Ich lächelte. »Als ich die Tür aufgemacht habe, hatte er eine Baseball-Maske vor dem Gesicht. Ehrlich.«
Claire und Cindy lachten laut.
»Er hat mir eine Flasche Wein mitgebracht. Französische Spitzenklasse. Neunzehnhundertfünfundsechziger Jahrgang. Er hat die Flasche in dem Jahr gekauft, in dem ich geboren wurde, und hat sie all die Jahre aufbewahrt. Wie findet ihr das? Dabei hat er nicht gewusst, ob er mich je im Leben wiedersieht.«
»Er hat gewusst, dass er dich wiedersieht«, sagte Claire mit einem Lächeln. Sie nippte am Sake. »Du bist seine wunderschöne Tochter. Er liebt dich.«
»Und wie seid ihr verblieben, Lindsay?«, fragte Cindy.
»Na ja, man könnte sagen, wir haben uns auf ein zweites Rendezvous geeinigt. Ich habe ihm gesagt, er könne eine Zeit lang bei mir wohnen.«
Cindy und Claire wirkten überrascht.
»Wir haben dir zwar gesagt, du solltest locker werden und dich mit ihm treffen, Lindsay«, sagte Cindy, »aber nicht, dass du dir mit ihm die Miete teilen sollst.«
»Was kann ich sagen? Er hat bei jemandem auf der Couch kampiert. Irgendwie schien es mir richtig, ihm meine anzubieten.«
»Ist es auch, Schätzchen.« Claire lächelte. »Auf dich!«
»Nein.« Ich schüttelte den Kopf. »Auf Jill.«
»Ja, auf Jills Wohl«, sagte Cindy und hob ihr Bierglas hoch.
Wir stießen an. Dann schwiegen wir kurz.
»Ich will ja nicht
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