Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 03 - Der weisse Prophet
man zu dem Schluss gekommen, dass du vom Unterricht im Umgang mit der Streitaxt profitieren würdest. Deshalb, so glaube ich, hat man mich auch zu deinem Mentor bestimmt.«
Flink riss den Kopf hoch und blickte mich verwirrt und verzweifelt an. »Die Streitaxt?«
Ich nickte sowohl ihm als auch mir zu, als ich meine Ahnung bestätigt fand. Chade setzte wieder seine alten Tricks ein. Offenbar hatte niemand den Jungen gefragt, ob er Interesse an solch einer Waffe hatte. Ich bedachte Flink mit einem Lächeln. »Ja, die Streitaxt. Die Soldaten in Bocksburg erinnern sich noch daran, wie gut dein Vater damit kämpfen konnte. Da du nicht nur sein Aussehen, sondern auch seine Statur geerbt hast, ist es nur natürlich, wenn die Streitaxt auch deine Waffe wird.«
»Ich bin nicht im Mindesten wie mein Vater, Herr.«
Fast hätte ich laut gelacht, nicht aus Freude, sondern weil der Junge Burrich nie ähnlicher gewesen war als ausgerechnet in diesem Augenblick. Es fühlte sich seltsam an, auf jemanden
hinunter
zu blicken, der mich mit Burrichs finstrem Blick ansah. Doch solch eine Haltung war für einen Jungen von Flinks Jahren nicht angemessen, und so sagte ich kalt: »Die Königin und ihr Ratgeber Chade sind der Meinung, dass ihr euch ähnlich genug seid. Willst du in Frage stellen, was sie für dich entschieden haben?«
Nun hing alles in der Schwebe. Ich sah den Augenblick, da Flink seine Entscheidung traf und hätte fast wortgenau sagen können, was in seinem Kopf vor sich ging. Er könnte sich weigern, doch dann würde man ihn wohl als undankbar betrachten und zu seinem Vater zurückschicken. Also war es besser, sich dieser widerwärtigen Aufgabe zu stellen und zu bleiben. So senkte er schließlich seine Stimme und antwortete: »Nein, Herr. Ich akzeptiere, was sie für mich entschieden haben.«
»Das ist gut«, sagte ich mit falscher Herzlichkeit.
Doch bevor ich fortfahren konnte, informierte Flink mich: »Ich besitze schon gewisse Fähigkeiten mit einer Waffe. Genauer gesagt, mit dem Bogen, Herr. Ich habe bis jetzt nicht darüber geredet, weil ich geglaubt habe, das würde niemand interessieren. Aber wenn ich nicht nur als Page, sondern auch als Kämpfer ausgebildet werden soll, so habe ich bereits eine Waffe meiner Wahl.«
Interessant. Schweigend betrachtete ich ihn einen Augenblick lang. Ich hatte genug von Burrich in ihm gesehen, um zu vermuten, dass er sich nicht einer Fähigkeit rühmen würde, die er nicht besaß. »Nun gut«, sagte ich. »Du darfst mir dein Können mit dem Bogen zeigen. Aber zu dieser Zeit und an diesem Ort haben erst einmal andere Lektionen Vorrang. Zum Zwecke deines Unterrichts hat man uns erlaubt, Schriftrollen aus der Bibliothek von Bocksburg zu verwenden. Das ist eine Ehre für uns beide.« Ich wartete auf eine Antwort.
Flink nickte knapp und erinnerte sich dann seiner Manieren. »Ja, Herr.«
»Gut. Dann triff mich morgen wieder an diesem Ort. Wir werden uns eine Stunde lang mit diesen Schriftrollen und dem Schreiben beschäftigen, dann begeben wir uns auf den Übungsplatz.« Wieder wartete ich auf seine Antwort.
»Ja, Herr. Herr?«
»Was ist?«
»Ich bin ein guter Reiter, Herr, im Moment allerdings ein wenig eingerostet. Mein Vater hat mich seit einem Jahr nicht mehr in die Nähe der Pferde gelassen; aber ich bin auch ein tadelloser Reitersmann.«
»Das ist gut zu wissen, Flink.« Ich wusste, worauf er hoffte. Ich beobachtete sein Gesicht, und sah das Licht darin ob meiner neutralen Antwort verblassen. Ich hatte fast aus Reflex reagiert. Ein Junge seines Alters sollte noch nicht einmal darüber nachdenken, sich mit einem Tier zu verschwistern. Doch als er nun enttäuscht den Kopf senkte, fühlte ich meine alte Einsamkeit widerhallen, die mich über die Jahre hinweg begleitet hatte. Auch Burrich hatte seinerzeit alles versucht, um mich davon abzuhalten, mich mit einem Tier zu verschwistern. Zwar wusste ich nun, dass er damals Recht gehabt hatte, doch das milderte nicht die Erinnerung an jenes nagende Gefühl der Isolation. Ich räusperte mich und versuchte, meine Stimme so selbstsicher wie möglich klingen zu lassen. »Nun denn, Flink. Melde dich morgen hierbei mir. Oh, und zieh deine alten Kleider an. Wir werden uns schmutzig machen und schwitzen.«
Er blickte mich erschrocken an.
»Was ist, Junge?«
»Ich ... Herr, ich kann nicht. Ich ... ich habe meine alten Kleider nicht mehr; nur noch die beiden Uniformen, die mir die Königin gegeben hat.«
»Was ist mit ihnen
Weitere Kostenlose Bücher