Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 03 - Der weisse Prophet
passiert?«
»Ich ... ich habe sie verbrannt, Herr.« Plötzlich klang er trotzig. Er schaute mir in die Augen und schob das Kinn vor.
Ich überlegte, ob ich ihn fragen sollte warum; doch das musste ich nicht. Seine Haltung verriet mir alles, was ich wissen wollte. Um es sich selbst zu beweisen, hatte er alles zerstört, was ihn mit der Vergangenheit verband. Ich fragte mich, ob ich ihn dazu zwingen sollte, das offen einzugestehen; doch dann kam ich zu dem Schluss, dass das auch nichts bringen würde. Auf jeden Fall war der Verlust solch nützlicher Kleider etwas, wofür er sich schämen sollte. Ich fragte mich, wie tief der Graben zwischen ihm und seinem Vater bereits war. Plötzlich war der Tag ganz und gar nicht mehr so schön wie zuvor. Ich zuckte mit den Schultern und schob die Angelegenheit erst einmal beiseite. »Dann zieh an, was du hast«, sagte ich und hoffte, dass ich nicht zu hart klang.
Flink stand einfach nur da und starrte mich an, bis ich bemerkte, dass ich ihn noch gar nicht entlassen hatte. »Du kannst jetzt gehen, Flink. Ich sehe dich dann morgen.«
»Ja, Herr. Danke, Meister Dachsenbless.« Er verneigte sich und zögerte dann erneut. »Herr? Darf ich Euch eine letzte Frage stellen?«
»Sicher.«
Misstrauisch schaute er sich um. »Warum treffen wir uns hier oben?«
»Hier ist es ruhig und angenehm. Als ich in deinem Alter war, habe ich es gehasst, an einem schönen Frühlingstag drinnen bleiben zu müssen.«
Das zauberte ein zögerliches Lächeln auf sein Gesicht. »Mir geht es genauso, Herr. Und ich mag es auch nicht, wenn man mich von Tieren fernhält. Ich nehme an, das ist der Ruf meiner Magie.«
Ich wünschte, er hätte das nicht zur Sprache gebracht. »Vielleicht ist es das, und vielleicht solltest du erst einmal gründlich darüber nachdenken, bevor du dir diese Frage selbst beantwortest.« Diesmal sollte er den Tadel in meiner Stimme hören.
Flink zuckte unwillkürlich zusammen und blickte mich beleidigt an. »Die Königin hat gesagt, meine Magie dürfe für niemanden einen Unterschied machen. Sie hat gesagt, niemand dürfe mich deswegen schlecht behandeln.«
»Das ist wahr. Aber es wird dich deshalb auch niemand besser behandeln. Ich rate dir, deine Magie für dich zu behalten, Flink. Stelle sie vor niemandem zur Schau, es sei denn, du kennst denjenigen gut genug. Wenn du wissen willst, wie du am besten mit der Alten Macht umgehen sollst, dann schlage ich vor, dass du dich zu Web dem Zwiehaften setzt, wenn der abends vor dem Herd Geschichten erzählt.«
Flink legte die Stirn bereits in Falten, bevor ich endete. Mit einer höflichen Geste entließ ich ihn, und er zog grübelnd von dannen.
Ich glaubte zu verstehen, was den Jungen bewegte: Dass er über die Alte Macht verfügte, hatte ihn in Streit mit seinem Vater gebracht. Er hatte Burrich erfolgreich getrotzt und war nach Bocksburg geflohen, fest entschlossen, offen als Zwiehafter an Königin Kettrickens tolerantem Hof zu leben. Doch falls der Junge glauben sollte, allein die Alte Macht würde ihm einen Platz hier sichern, würde ich ihm die Flausen schon austreiben - wobei ich keineswegs versuchen würde, ihm nicht seine Magie zu nehmen. Doch dass er damit herumwedelte wie mit einem Lumpen vor einem Terrier, war etwas, das mich zutiefst beunruhigte. Früher oder später würde er auf einen jungen Adeligen treffen, der ihn nur allzu gern wegen seiner verachtenswerten Tiermagie herausfordern würde. Die Toleranz der Alten Macht gegenüber war anbefohlen, und viele übten sie nur widerwillig aus. Flinks Einstellung vergrößerte meine Entschlossenheit, ihn nicht wissen zu lassen, dass ich ebenfalls zu den Zwiehaften gehörte. Es war schon schlimm genug, dass er so frech mit seiner eigenen Magie hausierte; meine würde er nicht verraten.
Ich blickte in die Weite des Himmels und des Meeres hinaus. Es war ein erregender Anblick, atemberaubend und auf beruhigende Art vertraut zugleich. Und dann zwang ich mich, nach unten zu sehen, über die niedrige Mauer hinweg, die zwischen mir und dem tödlichen Sturz stand. Einst, körperlich wie seelisch von Galen dem Gabenmeister zerschunden, hatte ich versucht, mich von eben dieser Brüstung zu stürzen. Es war Burrich gewesen, der mich damals zurückgehalten hatte. Er hatte mich in sein Gemach hinuntergetragen, meine Verletzungen behandelt, und mich dann am Gabenmeister gerächt. Dafür schuldete ich ihm noch immer etwas, und vielleicht war die einzige Gelegenheit, ihm diese Schuld zu
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