Die 39 Zeichen 06 - Gefahr am Ende der Welt
und seine Kindheit gestohlen. Jemand war in einer kühlen Nacht in ihr Haus eingedrungen, in dem vier Menschen wohnten, die einander liebten , und hatte Feuer gelegt …
Dan schüttelte heftig den Kopf. Seine Beine zitterten. Er sah
hinaus auf den weiten Ozean. Tante Beatrice hatte immer gesagt: »Wenn wir etwas Großes betrachten, zum Beispiel den Himmel, dann erscheinen unsere Probleme plötzlich so klein.« Mit diesen Worten wollte sie zwei Kinder aufmuntern, deren Eltern gestorben waren. Tante Beatrice war wirklich bescheuert.
Der Indische Ozean tröstete Dan kein bisschen. Es wäre etwas anderes gewesen, wenn er mit Amy hätte sprechen können. Aber er hatte sich entschieden, nie wieder mit ihr zu reden.
Er war schon sehr oft wütend auf Amy gewesen. Eigentlich ständig. Aber diesmal war es schlimmer. Sogar schlimmer als damals, als sie, kurz bevor sein bester Freund Liam zu Besuch kam, lauter kleine Puppen für seine Matchbox-Autos gemacht hatte. Oder als sie Tante Beatrice erzählt hatte, dass Dan Beethoven über alles liebte und sie ihn zur Klavierstunde anmelden solle. Oder in Ägypten, als er dachte, sie behalte alle Erinnerungen an Grace für sich.
Das war alles harmlos im Vergleich hierzu.
Sie hatte herausgefunden, dass ihre Eltern umgebracht worden waren, und hatte es für sich behalten. Die wichtigste Sache in ihrem ganzen Leben!
Der Brand war kein Unfall gewesen. Der Teppich hatte nicht Feuer gefangen, während sein Vater die Glut angehäuft hatte. Jemand war in ihr Haus eingebrochen und hatte es mit voller Absicht niedergebrannt.
Und Amy hatte es gewusst. Sie war in jener Nacht sogar unten gewesen! Und sie hatte es ihm nie erzählt.
Dan hatte geglaubt, sie wären ein Team. In allem.
Er starrte hinaus aufs weite Meer, das sich bis zum Horizont
erstreckte. Er wusste nicht, wie er darüber hinwegkommen sollte. Zuerst hatte er seine Eltern verloren. Dann Grace. Und jetzt Amy.
Er hatte niemanden mehr.
Es war noch hell, als sie auf dem Internationalen Flughafen Halim Perdanakusama in Jakarta landeten. Nellie nahm den Kopfhörer ab und stieß einen tiefen Seufzer aus.
»Ich bin total erledigt«, sagte sie.
Sie klemmte sich ihre Reisetasche unter den Arm und nahm Saladins Katzenkorb. »Sollten wir Probleme mit dem Zoll bekommen, lasst besser mich reden«, erklärte sie.
Das ist einfach , dachte Amy. Dan sprach sowieso kein Wort.
Sie waren alle erleichtert, als sie problemlos durch den Zoll kamen. Halim war ein kleinerer Flughafen für Charterflüge und deshalb nicht so überfüllt. Schon nach wenigen Minuten hatte Nellie sie durch die Taxireihe geschleust und ein blaues Auto besorgt, das sie in die Stadt brachte. Über ihr Handy buchte sie ein Hotelzimmer.
»Ich habe Shep eine SMS geschickt, dass wir in Sicherheit sind«, erzählte sie. »Er nimmt einen Linienflug und holt das Flugzeug wieder ab.« Sie sah die beiden besorgt an. »Ihr beiden seid bestimmt fix und fertig. Ich habe noch nie erlebt, dass ihr mehr als 30 Sekunden still seid. Außer, wenn ihr schlaft.«
Dan sagte nichts, sondern blickte nur aus dem Fenster auf die mit Palmen gesäumte Straße. Es dämmerte und die Straßenlaternen gingen an. Der Fahrer schleuste sein Taxi geschickt durch den dichten Autobahnverkehr.
Vor ihnen tauchten die Lichter von Jakarta auf. Die Wolkenkratzer
leuchteten vor dem dunklen Himmel. Sie schienen unglaublich hoch, wie aus einem Science-Fiction-Film. Sie verließen die Autobahn und bald ging es über eine mehrspurige Straße in die Stadt. Zwischen vollgestopften Bussen, Taxis und Motorrädern gelangten sie an einen riesigen Kreisverkehr, in dessen Mitte sich ein wunderschöner Springbrunnen erhob. Der Fahrer bog in eine enge Nebenstraße ab und sie ließen die Skyline hinter sich.
Amy hatte Kairo schon als unübersichtlich empfunden, aber Jakarta war ein echtes Labyrinth, vollgestopft mit Autos, die sämtliche Verkehrsregeln ignorierten, und Menschen, die sich zwischen den Fahrzeugen über die Straße schlängelten. Die Luft war schwer von den vielen Abgasen.
Schließlich hielt der Taxifahrer vor der orangefarbenen Markise eines weißen Gebäudes. Ein Portier eilte herbei, öffnete die Türen und nahm das Gepäck aus dem Kofferraum. Nellie bezahlte den Fahrer und steuerte dann direkt die Rezeption an, wo sie die Anmeldung erledigte.
»Wir würden morgen gern einen Ausflug zum Anak Krakatau machen«, erklärte sie. »Können Sie uns dabei behilflich sein?«
»Normalerweise ja«, sagte der Mann.
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