Die 39 Zeichen 06 - Gefahr am Ende der Welt
Das weiß ich mittlerweile auch.«
Amy spürte, wie sie rot anlief. Sie wusste, dass Dan nicht nur von ihren Verwandten sprach. Er meinte auch sie.
Dan blickte zur schlafenden Nellie hinüber. »Ich habe mir überlegt … wenn wir uns einmal kurz ihre E-Mails ansehen würden …«
»Wie soll das denn gehen?«, fragte Amy. »Klar, sie ruft ihre E-Mails auf deinem Laptop ab, aber sie hat doch ein Passwort.«
Dan sah sie verlegen an.
»Äh, ich hab es mir gemerkt.« Auf Amys erstaunten Blicken fuhr er rasch fort: »Ich wollte es nicht! Eines Morgens rief sie ihre E-Mails ab, und ich habe ihre Finger auf der Tastatur beobachtet und es mir einfach … gemerkt.«
Dan warf Nellie einen kurzen Blick zu. »Wir müssten uns nur in ihren E-Mail-Account einloggen.«
»Das ist falsch«, flüsterte Amy.
Es folgte ein kurzes Schweigen. Amy seufzte.
»Und ich wünschte, mir wäre es als Erster eingefallen.«
Sie rief die Seite auf und Dan gab das Passwort ein.
Sogleich hatten sie Nellies E-Mail-Liste vor sich. Da war eine Nachricht von ihrem Vater, agomez , DONDE ESTAS YOU NOW und eine neue Nachricht von jemandem namens clashgrrl
mit einer E-Mail-Adresse der Universität Boston.
»Sieh mal, clashgrrl hat Nellie gestern auch eine E-Mail geschrieben«, sagte Amy. »Im Betreff heißt es ›Einchecken Babe‹.«
»Wahrscheinlich eine ihrer College-Freundinnen.«
»Klingt so.« Amy klickte die E-Mail an. Auf dem Bildschirm erschien ein Kasten: PASSWORT EINGEBEN. »Das ist komisch. Sind die E-Mails alle einzeln passwortgeschützt?« Amy klickte auf die Nachricht des Vaters. Hallo, eigenwillige Tochter, habe seit Sydney nichts mehr von dir gehört. Melde dich bei deinem
alten Vater, damit er nachts ruhig schlafen kann. Dein dich bewundernder und stets geduldiger Vater. PS: Falls du nach Thailand kommst, schick mir scharfe Sauce.
Amy lächelte. »Klingt, als wäre Nellies Vater ihr ganz schön ähnlich.«
»Sieh dir mal noch die anderen E-Mails an.«
Amy ging die Liste durch. Nellie hatte viele weitere E-Mails von Freunden und ein paar von ihrer kleinen Schwester erhalten, doch die einzigen, die sie nicht öffnen konnten, waren die von clashgrrl.
»Warum bekommt Nellie passwortgeschützte E-Mails?«, überlegte Amy.
Beide sahen zu ihrem schlafenden Au-pair-Mädchen hinüber. Nur ihr Hinterkopf war zu sehen. Ohne ihren durchdringenden Blick sah sie ganz anders aus. Wie jemand, den sie nicht kannten.
»Vertraue niemandem«, flüsterte Amy. Hatten sie das nicht von Anfang an gewusst? Aber Nellie ? Die Vorstellung, dass sie etwas vor ihnen verbarg, machte Amy nervös und brachte sie aus dem Gleichgewicht.
Dan war wütend.
»Wenn sie uns nicht alles sagt, warum sollen wir ihr dann alles erzählen?« Er knüllte die Kekstüte zusammen und warf sie in den Abfalleimer.
»Komm, wir suchen den Vulkan.«
Zweiundzwanzigstes Kapitel
Dan und Amy standen vor dem Hotel und beobachteten fasziniert das Wirrwarr von Lastwagen, Autos, Fahrrädern und Taxis. Palmen wiegten sich über ihnen im Wind, und auf dem Gehweg drängten sich die Menschen, die eilig zur Arbeit gingen.
»Wir brauchen bestimmt Stunden, um irgendwo hinzukommen«, stöhnte Amy.
War sie immer so negativ, oder fiel es Dan einfach nur stärker auf, wenn er wütend auf sie war?
»Nicht wenn wir so eins nehmen.« Dan deutete auf die Straße vor ihnen. Ein orangefarbener Roller mit drei Rädern fuhr auf sie zu. Hinter dem Fahrer befand sich eine offene Fahrgastkabine. Dan winkte.
»Was machst du da?«
»Ich beschaffe uns ein Taxi«, sagte Dan. »Damit kommen wir schneller durch den Verkehr.«
Der Fahrer fuhr an den Straßenrand. »Ihr braucht ein Bajaj ? Entspannt, billig und auch schnell. Ich fahre überall hin.«
»Können Sie uns zum Hafen bringen?«, fragte Dan.
»Hafen, ja, natürlich. Kein Problem! Einsteigen!«
Die beiden kletterten auf den Rücksitz und der Fahrer fuhr los. Die Beschleunigung war so stark, das Amys Kopf gegen die Rückwand schlug.
»Wahnsinn!«, rief Dan. Er konnte einfach nicht anders.
Der Roller mogelte sich zwischen Autos und Lastwagen hindurch. Er nahm Spuren, die gar nicht da waren, und knatterte durch schmale Gassen. Fußgänger mussten ihm ausweichen.
Dan atmete den Benzingeruch und Smog tief ein, und der Lärm der Stadt drückte ihm auf die Ohren. Ihm war, als wäre er im Innern einer großen, lärmenden Maschine.
Dan fand Jakarta einfach toll.
Im Lauf der Fahrt wurden die Straßen immer enger. Plötzlich konnten sie das
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