Die 39 Zeichen 10 - Der Schlüssel zur Macht
Gläubiger , dachte Alistair. Das musste ja einmal so kommen, bei all den Millionen, die er für die Zeichenjagd verschwendet hatte.
Alistair blinzelte. Die drei Gestalten, die sich da um ihn drängten, entpuppten sich als die drei Teenager aus dem Theater. Inzwischen hatten sie ihre elisabethanischen Ninja-Kostüme gegen Jeans und T-Shirts ausgetauscht. Sinead, Ned und Ted Starling.
»Ich bitte um Entschuldigung, wie kann man euch helfen?«, fragte er mit einer Höflichkeit, die sie nicht verdienten.
»Du bist ein Ekaterina, wir sind Ekaterina. Du schuldest uns Hilfe bei der Zeichenjagd«, erklärte Sinead. » Onkel Alistair.«
Dieses eine Wort – Onkel – ließ ihn zusammenzucken. Er konnte sich so gut daran erinnern, wie er es als Junge zu Bae Oh gesagt hatte … bevor er erfahren hatte, dass Bae Oh seinen Vater hatte töten lassen. Für einen Hinweis bei der Zeichenjagd.
Und er erinnerte sich auch, wie Amy und Dan dieses Wort am Anfang der Zeichenjagd benutzt hatten.
Als ihr Vertrauen von ihm noch nicht missbraucht worden war.
Alistair schüttelte den Kopf, um die unangenehmen Geda nken loszuwerden. Er versuchte, sich auf die Kinder vor ihm zu konzentrieren, statt auf das Geschwisterpaar, das wie der einmal verschwunden war.
»Woher wusstet ihr, dass ich hier bin?«, fragte Alistair.
»Ganz einfach«, erklärte einer der Jungen. Vielleicht Ned? »Abgesehen von dem Anwesen der Kabras ist das hier der unwahrscheinlichste Ort in London, an dem du dich aufhalten könntest. Also sind wir gleich hierher.«
Laut Familien-Klatsch und -Tratsch hatte Ned mit zehn Jahren einen Doktor gemacht, konnte sich aber immer noch nicht selber die Schuhe zubinden und nur zusammenhängend reden, wenn es um Quantenphysik ging. Alistair hatte momentan kein Verlangen, sich über Quantenphysik auszutauschen, also wandte er sich von dem Jungen ab.
»Wir wissen, was in deinem Kopf vorgeht«, raunte Sinead. »Wir sind wie du.«
Ich hoffe nicht , dachte Alistair traurig.
»Ich dachte, ihr wüsstet über alles Bescheid, seid allen voraus«, bemerkte Alistair.
»Das haben wir denen erzählt, klar«, erläuterte Ted. »Unseren Feinden.«
»Aber du bist ein Ekaterina, wir sind im selben Team«, verkündete Sinead einschmeichelnd. Sie rubbelte etwas getrockneten Schlamm aus Alistairs Haaren. »Wenn du uns verrätst, was du bisher in Erfahrung gebracht hast, wissen wir zusammen sicherlich mehr als alle anderen.«
Sie lächelte und zeigte dabei viel zu viele Zähne.
Alles was ich im Laufe meines Lebens über die Zeichen herausgefunden habe , dachte Alistair. Mein Lebenswerk. Und das soll ich ihnen einfach so überlassen?
»Nein«, erwiderte Alistair.
Sinead wich zurück.
»Wie? Du willst lieber diesen Rotzgören Amy und Dan helfen, ja?«, schimpfte sie. »Wir wissen, dass du ihnen die ganze Zeit geholfen hast. Wir hätten sie sonst so weit kommen können?«
»Aufrichtigkeit«, erklärte Alistair sanft. »Mut. Intelligenz. Kühnheit. Fleiß.«
Sinead schnaubte.
»Aha. Das haben ausgerechnet die?«, höhnte sie. »Vor der Zeichensuche waren die nicht mal mutig genug, allein über die Straße zu gehen. Und du sagst mir, die zwei haben ganz allein die Welt durchstreift?«
»Sie sind … erwachsen geworden«, sagte Alistair und wunderte sich, welchen Schlag ins Herz ihm diese Worte versetzen. Ich hätte die ganze Zeit für sie da sein können , dachte er. Aber die meiste Zeit war ich es nicht.
Sinead schien sich zu erinnern, dass sie Alistair eigentlich bezirzen wollte.
»Na ja, schon gut«, sagte sie. »Es geht hier nicht um die beiden. Es geht um uns. Die genialen Ekaterina. Unsere Eltern haben gesagt, du wärst der schlauste von allen.«
Sie strahlte ihn mit schlecht gespielter Ehrfurcht an, sie klimperte sogar ein wenig mit den Augen. Sie bemühte sich wirklich.
Genau wie Alistair sich stets bemüht hatte.
Und so viel falsch gemacht hatte.
»Dumm«, murmelte Alistair. »Ich bin furchtbar dumm gewesen.«
»Aber was ist mit dem Mikrowellen-Burrito!«, warf Sinead ein. »Den hast du erfunden! Und Millionen gemacht!«
»Hört mal«, verkündete Alistair. »Ich sag euch jetzt, was ich über all die Jahre gelernt habe.«
Die drei drängten sich noch enger um ihn.
»Wenn man am Ende seines Lebens steht … wenn man ein einsamer alter Mann ist … erkennt man, ob das, was man erreicht hat, wirklich etwas wert ist«, erklärte er. »Den genialsten Hinweis, den ich je entschlüsselt habe, die Millionen, die ich verdient habe.
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