Die 39 Zeichen 10 - Der Schlüssel zur Macht
Papier abnehmen würden, also hab ich Streifen davon abgerissen und mir in die Taschen gesteckt.«
»Dan … vielleicht war das ein wertvolles Dokument!«, schimpfte Amy. »Vielleicht eine Handschrift Shakespeares!«
»Und vielleicht hab ich genug davon abgerissen, damit wir den nächsten Hinweis herausbekommen!«, erwiderte Dan.
Amy schwieg.
Dan holte Papierschnipsel aus seiner Hosentasche.
»Also, das ist kein Original von Shakespeare. Es sei denn, er hat eine Schreibmaschine benutzt«, meinte Dan beim Glätten des ersten Fetzens.
Endlich entspannte Amy sich etwas.
»Sollten wir nicht lieber warten und uns das draußen ansehen?«, fragte Dan.
»Nein. Wir müssen wissen, ob wir genug haben oder noch mal zurückgehen und kämpfen müssen«, sagte Amy. Offensichtlich versuchte sie, tapfer und mutig zu sein und den Impuls, wegzurennen, zu unterdrücken. An der Wand hingen Schwerter und Rüstungen, die gruselige Schatten auf ihr Gesicht warfen.
Dan begann, die Stücke zusammenzusetzen.
Als sie alles aneinandergelegt hatten, ergab sich folgende bruchstückhafte Botschaft:
»Ich hab oben und unten Stücke abgerissen«, entschuldigte sich Dan. »Ich hab gedacht, normalerweise ist bei den Hinweisen der untere Teil am wichtigsten, und da ich keine Chance hatte, mir die Nachricht anzusehen, hab ich nicht gewusst, wo oben und unten ist.« Er zeigte auf die letzte Zeile. »Da hab ich nicht alles erwischt. Sonst hättest du es vielleicht rausbekommen.«
»Ich krieg es trotzdem raus!«, erwiderte Amy strahlend.
»Ach ja?«, staunte Dan.
»Ja. Rate mal, wo William Shakespeare geboren wurde?«, fragte Amy.
»Keine Ahnung, aber du wirst es mir sicher gleich sagen.«
»In Stratford- upon-Avon, dort singen wir für diesen Bard’, der hier gebor’n ward «, verkündete Amy und deutete dabei auf die Worte in der Botschaft.
»Aha, ›geboren‹ also«, schloss Dan. Ihn beschlich eine arge Befürchtung. »Oh, nein, sag nicht, wir …«
»Genau! Obwohl es 500 Jahre her ist, steht Shakespeares Geburtshaus noch!«, erklärte Amy. »Dort suchen wir weiter!«
Alistair Oh hinkte in die Tate Gallery of Modern Art. Alistair war kein Bewunderer moderner Kunst. Seiner Ansicht nach war sie der Beweis dafür, dass der Janus-Zweig der Familie irre geworden war. Aber das Museum stand praktisch genau neben dem Globe Theatre und erschien ihm das beste Versteck. Niemand würde damit rechnen, dass er sich hier versteckte.
Alistair bemühte sich, würdevoll zu laufen, aber das war gar nicht so einfach mit einem zerrissenen Jackett und angetrocknetem Blut auf der Wange, Folgen des Familienkampfes im Globe. War das etwa Schlamm in seinem Haar?
Trotzdem hatte er nicht einen Papierfetzen an sich bringen können.
Ich bin zu alt für solche Sachen , dachte er, obwohl sein Onkel Bae Oh noch viel älter war und mindestens genauso besessen von der Zeichenjagd wie er.
Alistair tauchte in eine dunkle, leere Nische ab, die offenbar als kleiner Vorführraum diente.
Schwachsinn , befand Alistair. Wie kann man Videos nur für Kunst halten?
Er ließ sich auf einer Bank nieder und dachte voller Sehnsucht an das Museum, das sein Familienzweig, die Ekaterina, in ihrem Hauptquartier in Ägypten unterhalten hatte. Nie hatte er aufgehört zu hoffen, seine eigenen genialen Erfindungen würden dort eines Tages einen Ehrenplatz erhalten und alle Besucher beeindrucken. Aber er war über all die Jahre so mit der Zeichensuche beschäftigt gewesen, dass seine einzige bisherige Erfindung der Burrito für die Mikrowelle gewesen war. Und wie viele andere Dinge, die im Zusammenhang mit der Zeichenjagd standen, waren mehrere Kostbarkeiten aus dem Ekaterina-Museum zerstört oder gestohlen worden.
Zerstörte Schätze, zerstörte Hoffnungen, zerstörte Leben … hört das denn nie auf? , fragte er sich, während auf der Wand vor ihm die Bilder vorbeiflackerten.
Die Gegenüberstellung der drei Worte – Hoffnungen, Leben , zerstört – ließen ihn an die so lebensfrohe und liebenswerte Hope Cahill denken, die vor Jahren ums Leben gekommen war. Amy glich ihr immer mehr, je öfter er sie sah.
Ich habe Hope nicht getötet , verteidigte sich Alistair automatisch. Seit sieben Jahren redete er sich das ein. Dieses Mal aber klang ein Echo nach: Trotzdem trage ich Schuld .
Alistair schloss die Augen und versuchte, den Schmerz nicht hereinzulassen.
Als er sie wieder öffnete, war er umzingelt.
»Du schuldest uns etwas!«, knurrte eine zornige Stimme.
Jetzt kommen die
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