Die 50 Groessten Luegen Und Legenden Der Weltgeschichte
beansprucht, dass wichtige Funksprüche über Eisberge in der Nähe die Kapitäne gar nicht erreichten.
Als eigentliche Ursache machten schon kurz nach dem Unglück eifrige Feuilletonisten die verantwortungslose Rekordsucht aus, die die Verantwortlichen auf der Überfahrt jede Vorsicht vergessen ließ. Hier hat die Legende vom »Blauen Band«, das die Titanic angeblich um jeden Preis gewinnen sollte, ihrenUrsprung. Bernhard Kellermann griff das Motiv in seinem Roman Das blaue Band über den Untergang der Cosmos auf, dauerhaft wirksam wurde die Legende vom verhängnisvollen Geschwindigkeitswahn aber wohl erst durch den Ufa-Spielfilm Titanic von 1943. Der Film, in dem eine bankrotte White Star Line auf den Titel des schnellsten Schiffes angewiesen war, verbreitete diese unhistorische Erklärung für den Untergang der Titanic insbesondere in Deutschland, wo sie noch heute vielfach übernommen wird.
Für den Untergang der Titanic ist die Geschwindigkeit aber trotzdem mitverantwortlich, denn auch ohne Rekorddruck fuhr der Ozeandampfer zu schnell durch ein Gebiet, das wegen der vielen Eisberge erhebliche Gefahren barg. Als der Eisberg gesichtet wurde, war es daher zu spät, um die fatale Kollision noch verhindern zu können. Berichte, der mitreisende Geschäftsführer der White Star Line Joseph Bruce Ismay hätte den Kapitän genötigt, aus Werbegründen schneller als geraten zu fahren, um das Potenzial der Titanic unter Beweis zu stellen, konnten in den anschließenden Untersuchungen weder klar bestätigt noch widerlegt werden.
Immerhin bewirkte das schlagzeilenträchtige Schiffsunglück, dass die internationale Seefahrt sich auf verbesserte Sicherheitsstandards einigte. Schon bald nach dem Unglück beriet erstmals eine Konferenz für Meeressicherheit über geeignete Vorsichtsmaßnahmen. Künftig mussten alle Schiffe genügend Rettungsboote mitführen, um im Notfall alle Menschen an Bord aufnehmen zu können. Auch die Funkwache musste seither rund um die Uhr besetzt sein − Anlass dafür war die Tatsache, dass das nächstgelegene Schiff zum Zeitpunkt des Unglücks, die Californian, der Titanic nicht zu Hilfe geeilt war. Das lag daran, dass die dortigen Funker sich längst in den Feierabend verabschiedet hatten. Die neuen Sicherheitsmaßnahmen konnten aber nichtverhindern, dass bis heute immer wieder tragische Vorfälle auf See Menschenleben fordern − mit Opferzahlen, die mitunter erheblich über denen der Titanic liegen.
Armenier-Massaker: Umsiedlung oder Völkermord?
ARMENIER-MASSAKER
UMSIEDLUNG ODER VÖLKERMORD?
Im Frühling 1915, mitten im Ersten Weltkrieg, meldeten deutsche Diplomaten aus dem verbündeten Osmanischen Reich, aus dem später die Türkei hervorgehen sollte, aus Ostanatolien werde die armenische Bevölkerung vertrieben. Angeblich waren die Gegend zum Kriegsgebiet und die Armenier zum Sicherheitsrisiko geworden. Die dort seit Jahrhunderten ansässigen Armenier wurden nach Süden »umgesiedelt«, in unwirtliche Wüstengebiete Syriens und des heutigen Irak. Bei diesen Umsiedlungen und durch weitere Verfolgungen in den Jahren darauf kamen bis zu 1,5 Millionen Armenier ums Leben.
Im Westen erfuhr das Schicksal der Armenier über Jahrzehnte vergleichsweise wenig Beachtung. Deutschland horchte nach den Ereignissen noch einmal auf, als im Frühjahr 1921 nicht weit vom Bahnhof Zoologischer Garten in seinem Berliner Exil der ehemalige Großwesir und Innenminister des Osmanischen Reiches − und von den Alliierten gesuchter Kriegsverbrecher − Talat Pascha erschossen wurde. Der Mörder war ein 25-jähriger armenischer Student, der in seinem Opfer den Hauptverantwortlichen für das Verbrechen am armenischen Volk sah – mithin den eigentlichen Mörder. Spätestens nach dem Prozess aber, in dem der junge Armenier überraschend freigesprochen wurde, versickerte die Aufmerksamkeit an dem Drama wieder, das sich weitab vom Fokus des internationalen Interesses während des Ersten Weltkriegs abgespielt hatte.
Nicht zu Unrecht fühlten sich die Armenier bis vor wenigen Jahren mit ihrem kollektiven Trauma nicht ernst genommen. Waren es zunächst der Weltkrieg und dann die innereuropäischen Entwicklungen, die das Interesse gering hielten, blieb auch nach dem Zweiten Weltkrieg und trotz des deutschen Völkermords an den Juden das Verbrechen an den Armeniern ein Stiefkind der Historiker. Das lag vor allem an der Randlage des Osmanischen Reiches und seiner spezifischen Geschichte, die auf der Liste drängender
Weitere Kostenlose Bücher