Die 50 Groessten Luegen Und Legenden Der Weltgeschichte
seiner angeblichen Entstehung veröffentlicht wurde, zu einem Zeitpunkt, als ganz Frankreich die möglichen Folgen des deutsch-sowjetischen Paktes erregt diskutierte. Verdächtig ist darüber hinaus, dass immer neue Versionen jeweils zum rechten Zeitpunkt und mit der passenden Akzentuierung auftauchten.
Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion und der Verfügbarkeit russischer Quellen wird die Rolle Stalins im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg unter neuen Aspekten beurteilt. Eine Sichtweise erfreut sich in Russland wie im Westen wachsender Beliebtheit: die Verurteilung der Außenpolitik als zynisch und skrupellos und das Kalkül eines großen Krieges zum sowjetischen beziehungsweise kommunistischen Vorteil. Der Hitler-Stalin-Pakt dient dabei als Symbol, weil damit zwei verbrecherische Politiker den Zweiten Weltkrieg vom Zaun gebrochen hätten. Die angebliche Rede Stalins passt vortrefflich in diese Sichtweise − und sie erklärt überdies verführerisch einfach, wie es zu dem teuflischen Pakt zwischen Nationalsozialismus und Kommunismus kommen konnte.
Tatsächlich aber war die Situation 1939 erheblich komplexer und für die europäischen Politiker viel schwieriger, als es aus der Rückbetrachtung und dem Wissen der nachfolgenden Entwicklung erscheinen mag. Daneben hat die historische Forschung längst klar herausgearbeitet, dass Stalins Außenpolitik weniger ideologisch als pragmatisch war − was sie natürlich nicht automatisch aufwertet. Wie die europäischen Mächte suchte Stalin nach einer angemessenen sowjetischen Antwort auf die politische Situation und die wachsende Kriegsgefahr. Und wie die anderen war er auf seinem Weg weder ausschließlich zynisch noch skrupellos. Aber gleichzeitig hatten seine Entscheidungenvor dem Kriegswillen Hitlers ebenso wenig Bestand wie die Beschwichtigungspolitik Großbritanniens.
Der Text der angeblichen Stalin-Rede von 1939 schwebt historisch gesehen sozusagen im luftleeren Raum. Denn es gibt nichts, was seine Authentizität auch nur bestätigen, geschweige denn beweisen würde. Und sie passt auch nicht in das Geflecht der sowjetischen Außenpolitik am Vorabend des Krieges. Bei aller historischen Schuld Stalins in Bezug auf den Zweiten Weltkrieg und darüber hinaus lässt sich dem sowjetischen Diktator die eigentliche Schuld am Kriegsbeginn nicht in die Schuhe schieben.
Französische Résistance: Ein einig Volk von Widerständlern?
FRANZÖSISCHE RÉSISTANCE
EIN EINIG VOLK VON WIDERSTÄNDLERN?
Als die deutsche Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg nach und nach immer mehr Länder besetzte, regte sich überall der Widerstand der Bevölkerung. So wie die deutsche Besatzung unterschiedlich ausfiel, unterschieden sich die Art und das Ausmaß der Auflehnung. Am bekanntesten ist der Widerstand gegen die deutsche Besatzungsmacht in Frankreich: in der okkupierten Zone wie im unbesetzten Teil der Vichy-Regierung unter Marschall Pétain. In die französische Geschichte ging die Periode von 1940 bis 1944 als les années noires ein, als »die schwarzen Jahre«. Die Résistance wurde zum Gründungsmythos der Vierten Republik: Ihre moralische und militärische Leistung verschaffte Frankreich den Platz in der Reihe der Siegermächte, einer ihrer Führer, Charles de Gaulle, der von London aus seine Landsleute zum Widerstand aufgerufen hatte, wurde zu einem der wichtigsten Präsidenten der République Française im 20. Jahrhundert. Aber war der französische Widerstand gegen Hitler-Deutschland so umfassend, wie sein Mythos, der bis heute nachwirkt, vermuten lässt? Standen die Franzosen mehrheitlich hinter den Kämpfern der Résistance? Oder ist dieser Mythos, der für die Nachkriegsgeschichte Frankreichs eine so enorme Bedeutung hatte, eigentlich ohne historische Grundlage?
Der französische Widerstand war zweigeteilt. Die Auslands-Résistance mit ihren anfangs rund 70
000 Angehörigen operierte vor allem von England aus, während die innere Résistance organisiertund individuell Widerstand leistete – die Aktionen reichten vom Drucken von Flugblättern bis zu wirkungsvoller Sabotage. Die Schlüsselfigur der Auslands-Résistance war der spätere Präsident de Gaulle, den inneren Widerstand verkörperte über seinen Tod in den Folterkellern der Gestapo hinaus Jean Moulin. Nicht nur moralisch stellte sich die Neugründung Frankreichs nach dem Ende der Besatzung in die Tradition der Résistance, auch organisatorisch stützte man sich auf Planungen der Widerstandsgruppen.
Nach dem Krieg
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