Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die 50 Groessten Luegen Und Legenden Der Weltgeschichte

Titel: Die 50 Groessten Luegen Und Legenden Der Weltgeschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Ingmar Gutberlet
Vom Netzwerk:
versicherte sich Frankreich kollektiv des Widerstands gegen die nationalsozialistische Besatzungsmacht und die willfährige Vichy-Regierung als einigender, grundlegender Kraft des Neubeginns. Dabei erfuhren naturgemäß die Verdienste größere Betonung als die unrühmlichen Aspekte der Besatzungszeit: Der Widerstand wurde mythisch überhöht, die Kollaboration verharmlost. In politischen Auseinandersetzungen wurde die Résistance vereinnahmt und instrumentalisiert – sei es in den innenpolitischen Kämpfen zwischen Gaullisten und Kommunisten, sei es bei den Auseinandersetzungen wegen des Algerienkriegs. Mochten Rechte und Linke gleichermaßen vertreten, dass die Résistance als einigende Kraft das »wahre Frankreich« verkörperte, so beanspruchten sie doch den Hauptverdienst jeweils für sich.
    Aber nicht nur politisch, auch für die persönliche Identifikation der Franzosen spielte der Widerstand eine wichtige Rolle: Auch wenn man von Hitler-Deutschland militärisch in nur sechs Wochen schmählich besiegt worden war, belegten die heroischen Taten der Widerständler, dass Frankreich wenigstens moralisch ungebrochen aus dem Krieg hervorgegangen war.
    Den Grundstein für den Mythos der Résistance legte General de Gaulle, als er nach der Befreiung Frankreichs die Besatzungsjahre schlichtweg ignorierte und politisch und gesellschaftlicheinfach an 1940 anknüpfte – als wären die dunklen Jahre derart obskur gewesen, dass man sie ebenso gut außer Acht lassen konnte. Flugs war die Nation mit der Résistance in eins gesetzt und der unangenehme Anteil der französischen Kollaboration inklusive Vichy ausgeblendet. Psychologisch war das klug, denn es half dem Land, die schwierige Nachkriegszeit zu meistern. Historisch gesehen war es jedoch fatal, denn das Nachkriegs-Frankreich gründete damit zwar nicht auf einer Lüge, aber eben doch auf einer Täuschung über das Ausmaß der Widerstandsleistung. Man verdrängte die französischen Vichy-Beamten, die den Deutschen eifrig zugearbeitet hatten, man vergaß den ausgeprägten französischen Antisemitismus, der die Judenverfolgung guthieß. Die Vichy-Regierung war weder ein bloßer Unfall der französischen Geschichte noch eine kraftlose Marionette am reißfesten Faden in Hitlers Hand. Vielmehr handelte es sich um eine Regierung williger und vielfach antisemitischer Kollaborateure, die sich beispielsweise bei der Verfolgung der französischen Juden mit eigenen Ideen unrühmlich hervortaten.
    In der Erinnerung schrumpfte die Zahl derjenigen, die dem Nationalsozialismus gleichgültig bis zustimmend gegenüberstanden – zugunsten all der tapferen Männer und Frauen in Frankreich, die ihr Leben im Kampf gegen Hitler-Deutschland aufs Spiel setzten. Aber wie in anderen Ländern unter brutalen Besatzungsregimen auch war die Zahl der aktiven Widerständler verschwindend gering, wenn man den Anteil der aktiv oder passiv Kollaborierenden dagegenstellte. Realistischen Schätzungen zufolge waren nur zwei Prozent der Franzosen aktive Widerständler. Die Mehrheit der Franzosen dagegen verhielt sich passiv – anfangs schockiert von der katastrophal raschen Niederlage, dann abwartend, wie sich der Krieg entwickelte. Wie in anderen besetzten Ländern stand die Bevölkerung den Deutschen zwar überwiegend ablehnend gegenüber – zumal in Frankreich hattedie alte »Erbfeindschaft« Bestand. Aber wie anderswo auch lähmte die rasche Folge deutscher Siege; und in Frankreich kam hinzu, dass das Land nach schwierigen Jahren innerlich zu zerrüttet war, um trotz der katastrophalen Niederlage einig gegen die Besatzer zu stehen.
    Die Lage änderte sich 1942/43, als die ersten Niederlagen und vor allem der Untergang der Wehrmacht vor Stalingrad den Widerstandsgruppen Zulauf verschafften. Daneben hatte es in Vichy ein Ende mit der Fassade vom eigenständigen Kurs, und allmählich stieg das Ansehen des anfänglich kaum bekannten de Gaulle. Immer mehr Franzosen widersetzten sich schließlich, als der Hunger wuchs und Hunderttausende zum Arbeitsdienst ins »Reich« deportiert wurden.
    Mehr als zwanzig Jahre lang konzentrierte sich die französische Geschichtsschreibung der Besatzungszeit auf die Résistance und war häufig weniger um ausgewogene Bewertung denn um Ehrenbezeugung an den Widerstand bemüht. Erst dann begann das Land, sich mit dieser Täuschung auseinanderzusetzen und mit der eigenen Vergangenheit differenzierter umzugehen. Wie in Deutschland zwang die Studentenbewegung Ende der

Weitere Kostenlose Bücher