Die 500 (German Edition)
Grundrisses gezeigt hatte, bemerkte er abfällig: »Was du nicht sagst, die erklären dir im Internet, wie man ins Justizministerium einbricht?«
Das stimmte tatsächlich. Die Aufpasser des Kongresses, das Government Accountability Office, führten etwa alle fünf Jahre Tests durch. Sie versuchten an den Wachposten vorbei in die Gebäude der CIA, des FBI, des Justizministeriums, von Bundesgerichten usw. zu gelangen. Und dann waren sie auch noch so nett, die Ergebnisse – wie und wo sie es gemacht hatten – genau aufzuschreiben und zu veröffentlichen, damit sich unternehmungslustige Jungkriminelle wie ich weiterbilden konnten. Unsere Steuergelder bei der Arbeit. Am Ende fand sich sogar ein hübscher kleiner Absatz, in dem man darüber aufgeklärt wurde, dass sich an diesen Missständen aufgrund fehlender Mittel so bald nichts ändern würde. Das hoffte ich doch stark.
Der Wachmann schaute mich finster an.
Wenn man in Washington die Augen aufsperrt, dann begreift man schnell, dass wie in den meisten Bürokratien neunzig Prozent aller Anstrengungen darauf abzielen, den Anschein zu erwecken, dass etwas getan wird. Auf dem Gebiet Sicherheit ist der Prozentsatz wahrscheinlich noch höher. Mehr Wachen, mehr Waffen, mehr Absperrgitter. Unsummen werden ausgegeben, um zu beweisen, dass Unsummen ausgegeben wurden, damit es vor jedem Gebäude nur so wimmelt von bewaffneten Männern, damit man die Öffentlichkeit und die Jungs in den oberen Etagen mit einer großartigen Demonstration der Stärke in Sicherheit wiegen kann.
Vielleicht half es ja, aber es gab immer noch Möglichkeiten, sich hineinzuschmuggeln, und dieses Hardlinergetue konnte sogar nach hinten losgehen, weil die Verwundbarkeit des Systems damit lediglich vertuscht, aber nicht behoben wurde. Gut für mich. Denn vom Standpunkt des Hochstaplers aus gesehen, ließ sich die Situation gut ausnutzen. Wenn die Leute, die man reinlegen wollte, so absolut an Polizei und Waffenkraft glaubten, dann verwandelte man sich einfach selbst in einen Polizisten.
»Morgen«, sagte ich, als ich mit meinem besten High-Noon- Bullen-Gang auf den Wachmann zuging und meine Dienstmarke zückte. »Ich soll im Büro des DAG ein paar Unterlagen abgeben.«
Ich hob meinen kleinen Aktenkoffer hoch. Der Mann schaute von dem Koffer auf meine Marke und saugte an seinen Zähnen.
»In Ordnung«, sagte er. Um den Detektor zu überlisten, hatte ich im metallenen Sicherheitsfach des Köfferchens ein flaches Stemmeisen versteckt, aber er winkte mich einfach durch. Ich hätte mit einer Claymore-Mine da reinmarschieren können.
Die hätte ich auch gebrauchen können, angesichts der Frau, die der Wachmann zu mir herüberwinkte – verspannter Ge sichtsausdruck, strenger Hosenanzug, frisch vom College. Mit einem Aufpasser muss man rechnen, aber es macht die Sache kniffliger. In den meisten Sicherheitsstufe-IV-Gebäuden bekommt man, außer man hatte eine Unbedenklichkeitsbescheinigung und einen Dauerausweis, immer ein Kindermädchen an die Seite. Ein Freund von mir im Außenministerium hatte sechs Monate warten müssen, bis seine Unbedenklichkeitsbescheinigung genehmigt war. Jedes Mal, wenn er pissen gehen wollte, musste er um Erlaubnis fragen und einen Aufpasser mitnehmen.
Ich war also vorbereitet. Auf dem Weg zückte ich mein Handy und fing an zu tippen (in Washington fiel man auf, wenn man nicht dauernd wie ein Zombie auf sein Blackberry starrte). »Jetzt!«, tippte ich und drückte auf Senden.
Wir brauchten etwa zehn Minuten bis zum Büro des Deputy Attorney General, kurz DAG. Sie blieb vor der Tür stehen. »Da wären wir.«
»DAOG«, sagte ich.
»Der Beamte unten hat mir gesagt, Sie wollten zum Deputy.«
»Nein, zur Debt Accounting Operations Group.«
Ein kurzes, wütendes Schnauben drang aus ihrer Nase, dann rang sie sich ein Lächeln ab. »Also schön.«
Ich spielte auf Zeit. Ich hätte ihr wahrscheinlich einfach mein Stemmeisen überziehen und sie in die nächste Toilette schleifen können, aber so machte es mehr Spaß.
Wir hatten etwa die Hälfte des Weges zu unserem neuen Ziel zurückgelegt, als die Alarmleuchten zu blinken anfingen und aus der Lautsprecheranlage eine angenehme weibliche Stimme zu uns sprach. »Notfallevakuierung. Dies ist keine Übung. Bitte begeben Sie sich langsam zum nächsten Ausgang. Bitte bewahren Sie Ruhe. Dies ist kein Probealarm. Ich wiederhole. Dies ist kein Probealarm.«
»Wir müssen das Gebäude verlassen«, sagte sie sichtlich erschrocken und ging
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