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Die 500 (German Edition)

Die 500 (German Edition)

Titel: Die 500 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthew Quirk
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durchs Haus, dann hörte ich Schreie.
    Jemand tobte sich da unten aus. Kurz herrschte Stille, und was ich dann hörte, ließ mich erstarren: zwei laute Schüsse, von einer Handfeuerwaffe oder einem Gewehr, kurz hintereinander, dann ein dritter Schuss. Standardausbildung beim Militär: Körper, Körper, dann Kopf. Das eindeutige Merkmal eines guten Scharfschützen, der einen Feind liquidiert.
    Ich hörte Schritte auf der Treppe, dann das Quietschen einer sich öffnenden Tür am Ende des Gangs. Das alte, knarrende Haus konnte kein Geheimnis für sich behalten. Sie suchten nach weiteren Personen. Ich versuchte, einen Blick aus dem Fenster zu werfen, konnte meinen Kopf aber gerade noch rechtzeitig zurückziehen, bevor der tastende Lichtstrahl wieder über die Scheibe glitt.
    Ich konnte es kaum ertragen, untätig dazusitzen, aber wenn sie bis jetzt noch nicht wussten, dass ich im Haus war, standen die Chancen nicht schlecht, dass ich unentdeckt davonkam.
    Die Schritte kamen näher. Ich hörte, wie die nächste Tür geöffnet wurde. Ich musste mich zwingen, mich nicht vom Fleck zu rühren.
    Irin schaffte das offenbar nicht. Ich hörte, wie jemand loslief, hörte Gepolter. Wahrscheinlich war Irin ausgerastet und versuchte zu fliehen.
    Dann hörte ich wieder Schüsse: einen, zwei … drei.
    Im schwachen Schein meines Handy-Displays untersuchte ich den geräumigen Wandschrank des Zimmers. Wenn ich schon exekutiert werden sollte, dann nicht zwischen alten Fotoalben und Mottenkugeln kauernd. Diese Option kam nicht infrage. An der Decke entdeckte ich die Umrisse eines kleinen Quadrats, den Zugang zum Dachboden, gerade groß genug, um mich mit den Schultern hindurchzwängen zu können. Vielleicht schaffte ich es bis aufs Dach und konnte so den Aufpassern hinter dem Haus entkommen.
    Ich zog die Schranktür zu, hievte mich aufs oberste Regalbrett und zwängte mich durch die Luke. Die Dachkammer hatte keinen Boden, sie bestand nur aus Gerüstbalken und rosa Glaswolle auf den Rigipsplatten, die die Decken der Räume darunter bildeten. Die Balken ächzten bei jeder meiner Bewegungen.
    Ich setzte die quadratische Holzplatte wieder in die Deckenluke des Wandschranks. Auf den Balken und der Glaswolle lagen einige dicke Bretter, auf denen man sich unter dem Dach bewegen konnte. Ich klemmte ein Brett zwischen die Platte auf der Luke und einen Dachbalken, eine behelfsmäßige Version des Panzerriegels, den jeder Dieb fürchtet: Das ist eine an der Innenseite der Tür im Boden verankerte Metallstange. Dadurch wird ein Eindringen fast unmöglich. Wenn Einbrecher die verräterischen Bolzen in der Mitte einer Eisentür sehen, ziehen sie gleich wieder ab.
    Ich konnte hören, dass die Männer jetzt in dem Zimmer waren, aus dem ich gerade geflüchtet war. Sie riefen den Aufpassern im Garten etwas zu. Sie mussten gewusst haben, dass ich im Haus war. Ich suchte nach einem Fluchtweg: irgendeiner Öffnung im Dach, durch die ich ins Freie gelangen konnte. Ich sah nichts, was einen größeren Durchmesser gehabt hätte als ein Rohr. Verdammt, es war heiß hier oben.
    Eine Faust hämmerte gegen die Deckenluke. Ich trat auf einem der Balken vorsichtig ein paar Schritte zurück. Das Balancieren auf Dachbalken hatte ich auf die harte Tour gelernt. In einer von Murphys Gesetz geprägten Nacht waren Luis und ich in ein Haus in Falls Church eingebrochen. Wir waren bis unters Dach vorgedrungen, wo Luis neben einen Balken trat. Sein linkes Bein schoss durch die Glaswolle, mit dem rechten blieb er an dem Dachbalken hängen und riss sich ein Band in der Leiste.
    Unter meinen Füßen spannte sich der Balken, zerrte an seinen Nägeln und gab ein nicht zu überhörendes Knarzen von sich. Fast gleichzeitig zerrissen zwei Schüsse die Luft, und zwei schmale Lichtstrahlen bohrten sich etwa zwei Meter neben mir durch die Decke. Der aufwirbelnde Staub ließ die Strahlen wie zwei massive Stäbe aussehen.
    Die Männer schlugen jetzt von unten gegen die Platte in der Luke. Ich hörte, wie das Holz splitterte und allmählich nachgab. Ich bewegte mich weiter weg.
    Zwei weitere Schüsse, und zwei weitere Lichtstrahlen bohrten sich durch die Decke. Jetzt schon näher. Jedes Mal, wenn ich mich bewegte, konnten sie meinen Standort besser einschätzen. Ich wartete jede Sekunde darauf, dass die Holzplatte endgültig nachgab. Dann fiel das Brett, mit dem ich sie gesi chert hatte, durch das Loch nach unten. Mein Plan war, wenn man das überhaupt so nennen konnte, so lange wie möglich

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