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Die 500 (German Edition)

Die 500 (German Edition)

Titel: Die 500 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthew Quirk
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zu warten und so viele Verfolger wie möglich in die Dachkammer klettern zu lassen, bevor ich meinen nächsten Zug tat.
    Der Erste steckte seine Hände durch die Öffnung.
    Ich wartete.
    Als der Kopf auftauchte, folgte ich dem Beispiel meines alten Komplizen Luis und sprang von dem Balken in Richtung der Vorderseite des Hauses, wo sich der über beide Stockwerke erstreckende Eingangsbreich befand, und betete, dass ich nur auf Glaswolle und Rigips treffen würde.
    Ich erinnere mich an das schwerelose Gefühl im Magen, als ich fiel. Alles ging glatt, bis sich mein Kinn an dem Rigips oder irgendwelchen Drähten verfing und ich eine Rückwärtsdrehung machte. Trotzdem hatte ich noch genügend Schwung nach vorn, prallte mit der Hüfte über der Eingangstür gegen die Wand und krachte dann seitlich, mit der Schulter und dem Kopf, auf den massiven Holzfußboden.
    Mit brummendem Schädel stand ich auf, machte einen torkelnden Schritt vorwärts und streckte mich. Falls im Erdgeschoss noch jemand am Leben war, so sah ich ihn jedenfalls nicht. Irin lag mit ausgebreiteten Armen und Beinen auf der Treppe. Sie hatte Einschusslöcher im Oberkörper und in einer Augenhöhle. Haskins lag mit Schusswunden in Brust und Stirn auf dem Wohnzimmerboden. Einen toten Menschen hatte ich bislang nur im Bestattungsinstitut gesehen, sauber hergerichtet, mit auf der Brust gefalteten Händen. Ich konnte von Glück sagen, dass ich von meinem Sturz noch benommen war. Wahrscheinlich erschien mir die Szene deshalb so unwirklich, so gestellt, wie in der Geisterbahn.
    Die Killer kamen wieder die Treppe herunter. Ich stürzte aus dem Haus, riss auf der Veranda das Sternenbanner von der Stange und klemmte Sie unter den Türgriff. Das verschaffte mir etwas Luft. Draußen war niemand. Waren wahrscheinlich alle im Haus. Ich rannte los. Erst jetzt, nach etwa zwanzig Metern, schien der Schock langsam nachzulassen. Und erst jetzt merkte ich, dass ich hinkte und mein Hosenbein aufgerissen war. Ein etwa ein Zentimeter breiter Splitter einer weißen Holzleiste war tief in meinen Oberschenkel eingedrungen.
    Selbst wenn die Fahnenstange eine Zeit lang hielt und mir einen Vorsprung verschaffte: Mit dieser Verletzung würden sie mich schnappen, bevor ich den Wagen erreichte. Am Straßenrand vor dem Haus stand eine einzelne Laterne, etwa zehn Meter in entgegengesetzter Richtung von der Stelle, wo mein Wagen parkte. Ich rannte zu der Laterne, riss das Loch in meiner Hose weiter auf und bog ganz vorsichtig den Holzsplitter zur Seite. Ich hielt die Hand unter die Wunde und ließ so viel Blut hineinlaufen, bis ich mir sicher war, dass Marcus das unmöglich übersehen konnte. Ich verspritzte das schimmernde Blut auf dem Boden und lief dann in der entgegengesetzten Richtung zu meinem Jeep.
    Mit ausgeschalteten Scheinwerfern durch die Brandschnei se zu holpern war zweifellos eine interessante Erfahrung, aber sie brachte mich zurück auf die Nebenstraße, die von Paris wegführte. Die kleine Notambulanz in Front Royal kümmerte sich mit acht Stichen um mein verletztes Bein, und statt Shenandoah-Kalb gab es ein Hähnchen-Sandwich auf dem Subway-Parkplatz. Dann faltete ich die gelbe Seite aus Haskins’ Notizbuch auseinander: mein Todesurteil und meine einzige Hoffnung.

17
    A nnie war noch wach, als ich ins Inn zurückkehrte. Als Erstes ging ich ins Bad, stellte mich unter die Dusche und wusch mir das getrocknete Blut vom Bein. Als ich ins Zimmer zurückkam, sagte ich ihr, dass ich müde, sonst aber okay sei und ihr morgen früh alles erklären würde. Es war dunkel, und die Naht war unter einem Verband verborgen. Sie wollte natür lich wissen, was passiert war, verschonte mich jedoch mit weiteren Fragen, als ich sagte, ich bräuchte jetzt nichts als Schlaf.
    Beim Frühstück, umschwirrt vom stets zuvorkommenden, allgegenwärtigen Personal, kam eine Diskussion über ver trauliche Angelegenheiten natürlich nicht infrage – eine Gal genfrist, bis ich erzählen musste, was passiert war. Als wir ins Auto stiegen, schaltete ich sofort das Radio ein und fuhr los. Annie schaute mich an und wartete auf meinen Bericht, während ich nur geradeaus starrte. Nach einer Viertelstunde schaltete sie die Musik aus.
    »Mike. Du musst mir erzählen, was passiert ist. Dein Bein, ist alles okay damit? Ist jemand verletzt worden?«
    »Mit mir ist alles in Ordnung«, sagte ich. »Ich …« Ich verstummte. Ich hatte gehofft, mich mit meinem Talent, Ausreden zu improvisieren, irgendwie aus der

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