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Die 500 (German Edition)

Die 500 (German Edition)

Titel: Die 500 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthew Quirk
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Affäre ziehen zu können. Keine Chance. Die Ereignisse der vergangenen Nacht hatten immer noch die Qualität eines surrealen Traums. Der Versuch, sie zu verarbeiten, lähmte mein Gehirn.
    »Ich brauche etwas Zeit«, sagte ich. »Ich muss nachden ken. Es ist …« Den Blick auf den unterbrochenen weißen Mittelstreifen geheftet, schüttelte ich den Kopf.
    »Gib mir noch etwas Zeit, okay?«, sagte ich.
    Sie nickte und nahm meine Hand. Wir fuhren durch die langen Täler des Shenandoah. Sie ist genauso hartnäckig wie ich, deshalb war ich ziemlich überrascht, dass sie es schluckte. Erst als ich in den Rückspiegel schaute, begriff ich, warum sie so nachgiebig war. Zum ersten Mal nach den Ereignissen der letzten Nacht sah ich mein Gesicht bei Tageslicht: Augenringe, so dunkel wie blaue Flecken, leerer und kalter Blick, ungesunde Blässe. Ich sah aus wie ein Sterbender.
    Sonntagnacht machte ich kein Auge zu. Ich starrte an die Decke, lauschte Annies Atem, und der Anblick der kleinen Schnute, die sie zog, wenn sie schlief, war nur ein schwacher Trost. Ab und zu setzte ich mich im Dunkeln auf die Bettkante und zupfte an der Visitenkarte herum, die Detective Rivera mir gegeben hatte. War das alles zu viel für mich allein? Sollte ich die unter Dieben einzig unverzeihliche Sünde begehen und mit den Bullen reden? Hatte ich eine echte Chance, mich vor Henry zu schützen oder ihn sogar auszutricksen?
    »Mann, du siehst ja beschissen aus«, sagte der Bursche aus dem Büro gegenüber, als ich am Montagmorgen zur Arbeit auftauchte. »Nettes Wochenende, was?«
    »Fantastisch«, sagte ich.
    Wahrscheinlich stand mir die Katastrophe, in die ich gestolpert war, ins Gesicht geschrieben. Nicht gut. Das übliche Programm und den Ball flach halten, nur so konnte ich die Ge schichte durchstehen, nur so konnte ich Marcus und Davies so lange hinhalten, bis ich mir über mein weiteres Vorgehen im Klaren war.
    Zwei Tote, aber am Sonntag und Montag kein Wort in den Zeitungen. Vielleicht wussten nur die Killer und ich davon. Bis jetzt.
    Ich setzte mich an den Schreibtisch und versenkte mich in die Banalitäten meines Arbeitstages. Nie zuvor hatte ich die Durchsicht meiner E-Mails als so wohltuend empfunden. Fast konnte ich mir einreden, das Wochenende hätte es nie gegeben.
    Fast.
    Durch das Glas, das meine Bürotür umrahmte, sah ich William Marcus an der Treppe um die Ecke biegen. Er machte wie üblich einen unbeschwerten Eindruck, während er mit einem Becher Kaffee in der einen Hand und einem Heidelbeermuffin in der anderen auf mein Büro zuging.
    Ich hörte seine gedämpften Schritte auf dem Teppichboden.
    Er ging an meinem Büro vorbei.
    Vorerst konnte ich mich weiter ungestört meinen E-Mails widmen. Ein paar Minuten später stand ich auf, steckte den Kopf durch die Tür und warf einen Blick in den Flur. Nichts von ihm zu sehen. Ich drehte mich um, um mich wieder an den Computer zu setzen.
    »Mike. In Davies’ Büro. Sofort.« Marcus’ Stimme, in meinem Rücken. Als wäre neben mir ein Schuss losgegangen, verspannte sich augenblicklich mein ganzer Körper, und meine Fäuste schnellten auf Brusthöhe. Während ich meine verkrampften Finger ausstreckte, zwang ich mich dazu, lange und bedächtig auszuatmen.
    »Klar«, sagte ich.
    Auf dem Weg nach oben hüpfte mein Herz wie ein unwuchtig laufender Wäschetrockner. Ich versuchte mir ein plausibles Allerweltsszenario für einen derartigen Befehl zum Rapport vorzustellen, kam aber zu keinem Ergebnis. Es gab nur eine Erklärung: Sie wussten, dass ich im Haus war, als Haskins und Irin getötet wurden. Ich wusste und konnte es doch nicht richtig glauben, dass ich unterwegs war, mich den Killern auszuliefern. Trotzdem folgte ich Marcus widerstandslos.
    Davies saß an seinem Schreibtisch. Er trug seine Lesebrille und suchte nach einer E-Mail. »Sekunde«, sagte er, ohne aufzuschauen.
    »Hatten Sie ein schönes Wochenende?«, fragte mich Marcus.
    »Ja«, sagte ich. »Annie und ich waren im Inn draußen in Little Washington.«
    Obwohl mein Puls in Hals und Schläfen pochte, blieb meine Stimme ruhig. Marcus und Davies wechselten einen Blick, dann nickte Davies zu einem Stuhl. Ich setzte mich.
    »Haben Sie das Kalbfleisch probiert?«, fragte Davies.
    »Ja. Ausgezeichnet. Ich muss unbedingt einen guten Metzger hier in der Gegend auftreiben …«
    Marcus trat dicht an mich heran. »Leeren Sie Ihre Taschen aus«, flüsterte er mir ins Ohr und nahm eine Plastikschale vom Schreibtisch. Ich holte Handy,

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